Digitale Identität: Gefahren von Social Media
Jede:r von uns hängt eigentlich täglich aktiv oder passiv auf Social-Media-Kanälen ab. Nicht weiter schlimm, denn natürlich gibt es richtig witzigen, gut-tuenden oder echt informativen Content. Da ist Doomscrolling vorprogrammiert.
Was aber, wenn dein Algorithmus kippt, und du ohne es zu merken in die dunkle Ecke des Internets abrutscht, dorthin, wo ‚Tipps‘ und gutgemeinte Ratschläge ungute Gefühle auslösen und dir beim realen Ausüben sogar schaden können?
Wo kann’s auf Social-Media-Kanälen gefährlich werden und wie kannst du dich vor suspekten Inhalten und Co. schützen? Wir haben uns mal umgeschaut.
Der Schein trügt...
Ob Makeup-, Tradwife-, Lifestyle- oder Fitness-Influencer:in – eine Sache ist klar: nicht alles, was auf Social Media hochgeladen wird, ist echt. Leider sind damit nicht nur K.I.-generierte Sachen und Filter gemeint, sondern schlicht auch die menschliche Natur, denn nicht jede:r Contentcreator:in ist ein:e Samariter:in und lädt nur Videos hoch, um der Followerschaft etwas Gutes zu tun oder sie zu unterstützen.
Von Lügengeschichten, kompletten Fakes über Betrug bis Abzocke ist online auch alles zu finden – und für manche Influencer:in bieten die sozialen Plattformen eine super Bühne, um ihre eigenen psychischen Probleme, Störungen und radikalen und gewaltverherrlichenden Gedanken nicht nur darzustellen, sondern auch weiterzugeben. Und genau hier wirds dann tricky...
Content, der schnell gefährlich werden kann
Niemand sagt was gegen ein niedliches Katzenvideo, Meditieren mit Myrthe oder vegane Rezepte-Tipps von Hafer Hannes – das kann toll und lebensbereichernd sein, bei den folgenden Content-Arten solltest du vor dem Folgen und Nachmachen aber vielleicht ein bisschen genauer hingucken:
Vorsicht vor versteckten Kosten und Abofallen, denn dass Influencer:innen sich an dir finanziell bereichern wollen, ist kein Randphänomen mehr.
- Fitness-Tipps, v.a. mit Praxisübungen: kennen wir alle: ein super fitter Mensch zeigt in einem Reel eine Sportübung – bestenfalls mit Erklärung in der Caption, wozu die Übung besonders toll ist/wobei sie hilft. So far so good – WENN du dich selbst ein bisschen mit Sport auskennst und/oder den/die Contentcreator:in kennst, bzw. ihm/ihr vertraust. Warum? Als kompletter Sportlaie, vielleicht schon mit körperlichen Wehwehchen oder Einschränkungen ist es schwierig eine Übung alleine durchs Ansehen perfekt nachzumachen. Kann also sein, dass du selbst beim Austesten Fehler einbaust, die dir körperlichen Schaden zufügen. Kann aber auch sein, dass der sog. ‚Sportfluencer‘ in der Realität selbst keinen Peil hat, was er/sie da zeigt und komplett sinnlose oder gefährliche Übungen vormacht. Weißte ja nicht! Klingt jetzt im ersten Moment vielleicht übertrieben, kann aber wirklich zu Hexenschüssen, Verklemmungen und falschen Muskelbelastungen führen, wenn du Dinge, ohne Vorkenntnisse, und ohne zu prüfen, ob die Person, die die Sachen performt, Ahnung hat, einfach nachmachst.
- Ernährungs-Hacks, v.a. beim Thema Ab- oder Zunehmen: Körnerkäse-Rezepte, High Protein, Low Carb – in Sachen Ernährungstipps wird online viel geboten. Beliebt sind vor allem gerade die Bereiche: Körperfett verlieren und Muskelmasse aufbauen; am besten natürlich simultan. An sich eine gute Sache – aber auch hier Vorsicht. Jeder Körper ist anders, jeder Mensch hat einen anderen Kaloriengrundbedarf, Stoffwechsel, Bewegungsdrang und Co. Heißt: einfach dasselbe zu essen, wie ein Online-Charakter, von dem man nicht mal weiß, ob er oder sie das, was sie zeigen, wirklich essen oder mehr oder weniger … schwierig. Es gab schon Fälle, in denen Contentcreator:innen ihre Follower:innen gezielt versucht haben in die Magersucht zu treiben. Ungut. Hol dir also gerne Tipps, probier mal was aus – vertrau aber keinem Fremden aus dem Internet an, der dich und deinen Körper gar nicht kennt, zu entscheiden, was du essen sollst. Das wäre irgendwie cringe.
- Beauty-Kanäle, v.a. mit stark unrealistischen Körpern: wir suchen uns gerne Vorbilder und das bei so ziemlich allen Bereichen, ob beruflich, emotional oder körperlich. Das kann auch motivierend sein, sich zu denken: wow, da will ich hin. Wenn das bei dir aber zufälligerweise Influencer:innen betrifft, die extrem unrealistische Körper haben, wirds schwierig. Erstens geben nicht alle Social-Media-Menschen chirurgische Eingriffe, die Einnahme von Anabolika oder eigene Essstörungen zu, zweitens kann der ständige Vergleich mit unerreichbaren Schönheitsidealen längerfristig krank machen, du zerbrichst irgendwann daran. Klingt dumm, aber erwiesenermaßen macht es am glücklichsten, wenn man sich Influencer:innen sucht, die einen ähnlichen Bodytype haben wie man selbst. Lässt sich alles über den Algorithmus steuern, also darüber, welchen Content du anguckst, likest, wem du folgst.
- Psychologische Hilfsangebote, v.a., wenn von Laien: du steckst selbst in einer depressiven Verstimmung oder Depression fest, findest ein Video, in dem jemand ähnliches durchmacht und dir genau das sagt, was du brauchst? Nice, ich mein jede:r will das Gefühl haben verstanden zu werden – aber vielleicht wäre echte psychologische Hilfe nicer?! Es gibt mittlerweile eine echt unsagbar große Flut an Leuten, die sich selbst als Mental-Health-, Life-, Achtsamkeits-Coach oder sonstiges betiteln. Einen Titel übrigens, den sich jede:r ohne Ausbildung, Abschluss oder Co. einfach selbst geben kann, weil es sich dabei nicht um eine geschützte Berufsbezeichnung handelt. Ergo: du kannst dich morgen selbst so nennen. Diese Coaches können Erfahrung in den Bereichen haben, die sie vorgeben zu haben, müssen sie aber nicht. Ehrlich tricky, vor allem bei psychischen Themen, denn die sind so wichtig und Struggles damit sollten halt anständig geklärt werden. Du kannst ja online nicht immer so genau wissen, an wen du gerätst und ob er/sie deine angeknackste Lage nicht vielleicht einfach ausnutzt. Also auch da: Augen auf ...
- Hate-Content: bösartige, diskriminierende oder hasserfüllte Aussagen über bestimmte Geschlechter, Gruppe, Sexualitäten und Co. sind leider auch keine Seltenheit mehr. Auch für Hass bietet Social Media die perfekte Plattform. Pass bei dieser Art von Content besonders auf, dabei geht es nämlich oft darum, Follower für radikale Aktionen zu generieren – um auch real Hass zu verbreiten, bis hin zu gewalttätigen Attacken. Wenn du auf sowas stößt, wärs vielleicht nicht schlecht den/die Accountbetreiber:in zu melden …
Safety first: Informier dich einfach vorab, ob es sich bei den Influencern wirklich um Leute handelt, die von den Themen, die sie besprechen, Ahnung haben, bspw. selbst Fitness-/Personaltrainer:innen sind, ob die Rezensionen gut sind... sowas. Schadet jedenfalls nicht.
Red Flags erkennen, Bullshit-Content meiden!
Ob es sich bei Videos, Accounts oder Creator:innen um Leute handelt, die guten, positiven, bereichernden, witzigen Content verbreiten oder schlichtweg kompletten Blödsinn, der sogar gefährlich werden kann, merkst du oft schon nach wenigen Sekunden. Warnsignale dafür, dass Reels und Co. zweifelhafte Inhalte wiedergeben, können die folgenden Red Flags sein:
‚Der eine Weg‘
Wenn dir Leute online verklickern wollen, dass es nur den einen Weg gibt, quasi ein Wundermittel oder DIE eine Lösung – dann renn. Das deutet nahezu immer darauf hin, dass etwas nicht stimmt, denn den einen einzigen perfekten Weg, der für alle passt und wirkt, so sorry to say, den gibt es nicht. Weder beim Abnehmen, noch für den nicesten Booty auch nicht dafür, mit psychischen Problemen klarzukommen.
Hilfreicher Content geht immer auf mehr als nur eine Lösung ein, wenigstens als Randnotiz oder mit persönlichem Bezug, bspw. „der pefekte Weg für mich war...“. Tricky sind übrigens auch Aussagen in die Richtung ‚wenn, dann musst du...‘. ‚Du musst!‘ ist eh schwierig – lass dich zu nix zwingen.
Oft steckt hinter solchem Content auch der Plan dir was zu verkaufen, Apps, Trinkmahlzeiten, whatever. Es geht also primär darum Druck aufzubauen, dir die scheinbar perfekte Lösung zu präsentieren, um Profit zu generieren. Money matters ...
Radikale Einstellungen
Ähnlich sus sind Inhalte, die sich radikal äußern, bspw. Kohlenhydrate zerstören deinen Körper, mit dieser einen Aussage drängst du dein Kleinkind in die Essstörung, Menschen mit Migrationshintergrund sind alle Attentäter – Finger weg von sowas! Mit Leuten, die solchen Content produzieren stimmt ganz sicher etwas nicht, die sind weder open minded noch akzeptierend, vermutlich nicht mal sonderlich reflektiert – denn bei allem im Leben gibt es mindestens zwei Seiten und eben alles, was sich noch dazwischen befindet – und das ist selten entweder nur gut oder nur böse.
Absurde Forderungen
Wenns bis jetzt noch nicht cringe war, jetzt wirds cringe. Denn manche Creator:innen fordern ihre Follower:innen direkt zu sehr fraglichen bis hin zu absurden Sachen auf, sowas wie nur einen Apfel am Tag zu essen, gesundheitsgefährdende Stoffe zu trinken oder sonstigen Scheiß. Vorsicht, denn das kann sehr schnell gefährlich werden und dich noch in eine Störung reindrängen, die du davor gar nicht hattest.
Frag immer dein Bauchgefühl, dein Gewissen und deinen Kopf, ob ein Ratschlag oder eine Forderung für dich im Rahmen oder Bullshit ist. Und wenn sich das ungut anfühlt, dann mach’s einfach lieber nicht nach!
Durchweg Heile-Welt-Stimmung
Definitiv sus und ein großer Indikator dafür, dass irgendwas so gar nicht stimmt, sind Influencer:innen, bei denen immer und andauernd alles super perfekt und wunderschön ist. Wenn jemand nur Glück im Leben hat, jeden Tag happy ist, strahlt etc., dampft was hinter den Kulissen. Leider sind in der Realität nämlich die wenigsten Menschen dauernd nice gelaunt und mega glücklich – schade eigentlich, aber so isses.
So ein Content ist vielleicht erstmal nicht gefährlich, solang du im Hinterkopf behältst, dass vermutlich das meiste davon Fake ist; mach nur nicht den Fehler dich mit der auf Social Media präsentierten Schein-Heile-Welt zu vergleichen oder das anzustreben. Such dir vielleicht lieber authentische Inhalte und Influencer:innen, bei denen auch mal Schattenseiten des menschlichen Daseins beleuchtet werden.
Anteasern, dann Geld verlangen
Content, den du ebenfalls meiden solltest, weil selten hilfreich: wenn am Anfang vom Video etwas total Weltbewegendes angeteasert wird, bspw. die Wunderwaffe, damit alle Frauen dir sofort für immer verfallen und bevor dann der eigentliche Inhalt losgeht, der Content aufhört und dich weiterleitet zu ‚Das alles erfährst du, wenn du XYZ kaufst...!‘
In den allermeisten Fällen ist das nämlich einfach ein mehr oder weniger gut getarntes Werbevideo. Heißt: dir soll was verkauft werden, deswegen so übertoll angeprisen und dann Cliffhanger-mäßig abgebrochen. Das ist einfach Productplacement.
Safety first auch, wenn du selbst Content postest
Kurzer Perspektivwechsel: wenn du selbst Inhalte auf Social Media postest, solltest du auch ein bisschen aufpassen, vor allem, wenn es um deine eigenen Daten geht. Sowas wie deinen echten vollen Namen, deine Adresse, Telefonnummer – diese Infos können dir geklaut und weiterverkauft werden, unsinnige Werbeanrufe und Spamnachrichten vorprogrammiert.
Auch, wenn es um sehr private oder intime Themen geht, solltest du dir gut überlegen, was du online stellst. Immerhin können Videos, die einmal verfügbar sind heruntergeladen, geteilt und co. werden. Heißt, selbst wenn du sie wieder löschen möchtest, kann es passieren, dass sie schon weiterverbreitet und wiedergefunden werden können. Und das ebenfalls von Leuten, von denen du nicht willst, das sie sie sehen, wie deinen Eltern, Arbeitgeber:innen oder Ähnliche.
(SALI)