Manisch-depressiv

Bipolare Störung: Symptome, Diagnose, Hilfe

Holzwürfel auf dem Tisch, eine Seite zeigt einen lachenden Smiley, die andere Seite einen traurigen Smiley
Zwischen Hochgefühl und Tiefpunkt: Die bipolare Störung bewegt sich zwischen zwei emotionalen Extremen. (Foto: © RerF/stock.adobe.com)
Krasse Stimmungsschwankungen können mehr sein als „Launen“. Hier erfährst du, was bipolar bedeutet, welche Symptome sich zeigen, wie die Diagnose läuft – und wohin du dich wenden kannst.
Montag, 27.10.2025, 07:39 Uhr, Autor: Sarah Hoffmann

Kennst du das Gefühl, gleichzeitig völlig überdreht und irgendwie leer zu sein? Erst himmelhoch motiviert, dann plötzlich tagelang nichts mehr auf die Reihe kriegen? Solche extremen Stimmungsschwankungen können Teil des Lebens sein – vor allem in stressigen Studienphasen.

Aber wenn sie zu heftig oder zu häufig werden, steckt manchmal mehr dahinter. Genau dann lohnt sich der Blick auf eine mögliche bipolare Störung. Keine Sorge: wir schauen uns das Schritt für Schritt an. Verständlich, ehrlich und ohne Psychiater:innen-Fachjargon geben wir dir Antworten auf die folgenden Fragen:

First things first: wenn du das Gefühl hast, alles wird zu viel, oder du an Suizid denkst: bitte bleib nicht allein. Ruf 112 an oder geh in die nächste psychiatrische Notaufnahme. Lieber einmal zu viel Hilfe holen als einmal zu spät.

Was ist eine bipolare Störung?

„Bipolar“ bedeutet wörtlich: zwei Pole. Menschen mit einer bipolaren Störung pendeln zwischen Phasen tiefer Depression und Phasen übermäßiger Energie – sogenannten (Hypo-)Manien. Dazwischen gibt es oft stabile Zeiten, in denen alles „normal“ wirkt. Früher sprach man von „manisch-depressiv“. Heute unterscheidet man:

  • Bipolar-I-Störung: mit echten Manien (also sehr ausgeprägten Hochphasen)
  • Bipolar-II-Störung: mit Hypomanien (etwas abgeschwächten Hochphasen)

Die Krankheit beginnt oft schon im jungen Erwachsenenalter – also genau in der Lebensphase, in der Studium, Beziehungen und Selbstfindung gleichzeitig toben. Und sie betrifft mehr Menschen, als man denkt: etwa 3 % entwickeln im Laufe ihres Lebens eine bipolare Störung – viele davon eine lange Zeit ohne es zu merken.

Warum sie entsteht, ist nicht ganz geklärt. Forschende sprechen von einem Vulnerabilitäts-Stress-Modell: eine genetische Veranlagung trifft auf Stress, unregelmäßigen Schlaf, Drogenkonsum oder große emotionale Belastungen – und bringt so das fragile Gleichgewicht im Gehirn durcheinander. Das Ergebnis sind Stimmungsextreme, die sich oft anfühlen, als würde jemand den inneren Lautstärkeregler ständig rauf und runter drehen.

Bipolare Störung: Symptome – wie fühlt sich das an?

Die bipolare Störung ist wie ein Pendel, das zwischen zwei Extremen schwingt. Auf der einen Seite steht die depressive Phase: alles ist grau, leer, schwer. Dinge, die früher Spaß gemacht haben, fühlen sich bedeutungslos an. Selbst einfache Aufgaben – aufstehen, Mails checken, lernen – werden zur Herausforderung. Viele Betroffene berichten von Schuldgefühlen oder der Angst, nie wieder „sie selbst“ zu sein.

Und dann kann alles kippen. Plötzlich kommt eine (hypo-)manische Phase – mit Energie, Ideen, Euphorie. Du brauchst kaum Schlaf, redest schneller, denkst schneller, hast das Gefühl, die Welt gehört dir. Klingt erstmal gar nicht so schlecht, oder? Problem: es kann schnell switchen. Du gibst zu viel Geld aus, übernimmst dich, triffst riskante Entscheidungen, verletzt ungewollt andere. In einer vollen Manie kann sogar der Bezug zur Realität verschwimmen – mit Größenfantasien oder Wahnvorstellungen.

Besonders belastend sind sogenannte gemischte Episoden, bei denen Hoch- und Tiefsymptome gleichzeitig auftreten: totale innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit – bei gleichzeitig düsteren Gedanken. Das Risiko für Selbstverletzung oder Suizidgedanken ist dann besonders hoch.

Kurz gesagt: bipolar ist nicht einfach „launisch sein“. Es sind echte, medizinisch definierte Phasen, die dein Denken, Fühlen und Handeln massiv beeinflussen – und die du dir nicht ausgesucht hast.

Wie wird die bipolare Störung diagnostiziert?

Wenn du dich in dieser Beschreibung wiedererkennst: kein Grund zur Panik – aber ein guter Grund, das abklären zu lassen. Die Diagnose stellt eine Fachärztin oder ein Facharzt für Psychiatrie oder Psychotherapie. Dabei wird nicht einfach „geguckt, ob du mal traurig warst“, sondern ganz genau hingeschaut: Wie lange dauern die Phasen? Wie stark sind sie? Gibt es Auslöser?

Zur Abklärung gehören meist:

  • ein ausführliches Gespräch über Stimmung, Schlaf, Familie und Lebensgeschichte,
  • spezielle Fragebögen und Skalen wie der Mood Disorder Questionnaire oder das HCL-32,
  • manchmal auch körperliche Untersuchungen, um andere Ursachen auszuschließen.

Die Fachperson prüft, ob du die Kriterien nach ICD oder DSM erfüllst – also den offiziellen Leitlinien für psychische Diagnosen. Wichtig ist auch die Abgrenzung zu anderen Erkrankungen wie Depression, ADHS oder Borderline-Störung, die ähnliche Symptome zeigen können.

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Das kann ein bisschen dauern, aber das ist gut so – je genauer die Diagnose, desto passender die Behandlung.

Therapie: was hilft wirklich?

Eine bipolare Störung ist kein „Charakterproblem“, sondern eine ernsthafte Erkrankung. Und: sie ist gut behandelbar. Die Behandlung besteht aus mehreren Bausteinen, die einander ergänzen.

In der akuten Phase helfen oft Medikamente, sogenannte Stimmungsstabilisierer (z. B. Lithium oder bestimmte Antikonvulsiva). Sie sorgen dafür, dass die Stimmung nicht mehr so extrem ausschlägt. Bei Bedarf kommen Antidepressiva oder atypische Neuroleptika dazu – aber immer mit ärztlicher Begleitung, weil ein falsches Medikament sonst eine manische Phase auslösen kann.

Ebenso wichtig: Psychotherapie. Besonders hilfreich ist Psychoedukation – also zu lernen, wie die eigene Erkrankung funktioniert, welche Frühwarnzeichen du hast und was dir Stabilität gibt. Viele profitieren von kognitiver Verhaltenstherapie oder von Rhythmustherapie, die hilft, Schlaf, Ernährung und Tagesstruktur zu stabilisieren.

Langfristig geht’s darum, dich besser kennenzulernen, deine individuellen Auslöser zu verstehen und Strategien zu entwickeln, mit Stimmungsschwankungen umzugehen – statt dich von ihnen treiben zu lassen.

Tipp: je früher du dir Hilfe suchst, desto besser sind die Chancen, Rückfälle zu verhindern und dein Leben wieder aktiv zu gestalten.

Wohin wenden, wenn du denkst, du hast eine bipolare Störung?

Erster Schritt: sprich mit deinem Hausarzt oder deiner Hausärztin. Sie können dich an Fachärzt:innen für Psychiatrie oder Psychotherapie überweisen. Wenn du an einer Uni bist, gibt’s oft auch psychologische Beratungsstellen speziell für Studierende.

In akuten Krisen gilt: 112 anrufen oder direkt in die nächste Notaufnahme gehen. Wenn du dir unsicher bist, ob es „schon schlimm genug“ ist – ja, ist es. Es geht um dein Wohlbefinden, und Hilfe zu holen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern Stärke.

Langfristig können Selbsthilfegruppen, Online-Foren (seriöse, moderierte!) und Peer-Support-Angebote helfen, sich weniger allein zu fühlen. Viele Betroffene sagen: „Das erste Mal zu wissen, was mit mir los ist, war eine riesige Erleichterung.“

Tipp: dein Alltag-Toolset

Klingt banal, ist aber Gold wert: Struktur. Versuch, deinen Tag einigermaßen regelmäßig zu halten – Schlafenszeit, Essen, Uni, Freizeit. Apps oder Stimmungstagebücher können helfen, Schwankungen früh zu erkennen. Viele merken: wenn Schlaf, Stress und Alkohol im Griff sind, bleiben auch die Stimmungskurven flacher.

Long story short: das solltest du aus diesem Artikel mitnehmen

  • Stimmungsschwankungen sind menschlich – aber wenn sie dich lähmen oder überdrehen, lohnt sich ein Check.
  • Eine bipolare Störung ist behandelbar, aber sie braucht Verständnis, Geduld und professionelle Hilfe.
  • Du bist nicht allein – und Stabilität ist möglich.

(AOK/DGBS/Gelbe Liste/Schön Klinik/UKB/SAHO)

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