Kommentar

Wie pornografische Inhalte unser Sexleben prägen

Hand an Tastatur vor verschwommenem Bildschirm mit potenziell ponografischem Inhalt.
Wer zu früh und zu viele Filmchen konsumiert, kann sich selbst damit schädigen. (Foto: ©stock.adobe.com/vulkanov)
Ob Social Media, Werbung oder im Web – wir kommen täglich mit sexuellen Inhalten in Berührung, oft auch mit pornografischen. Was sind die Folgen? 
Dienstag, 13.05.2025, 14:24 Uhr, Autor: Sandra Lippet

Immer mehr Deutsche konsumieren pornografische Inhalte, sei es über OnlyFans, auf Pornoseiten, in einschlägigen Videochats oder auf anderen Kanälen. Für viele gehört das mittlerweile zum Ausleben ihrer Sexualität einfach mit dazu. 

Die wachsende Zahl an Suchanfragen und Zugriffen, auch von Kindern und Jugendlichen, sowie die vermehrte Nachfrage nach explizit brutalen und gewaltverherrlichenden Darstellungen, wirft dabei die Frage auf: Wieso? 

Wieso werden immer mehr pornografische Inhalte angesehen? Wieso werden die Zuschauer:innen immer jünger und macht früher und regelmäßiger Pornokonsum was mit unserer eigenen Sexualität?

Zahlen & Fakten

57,7 Millionen Suchanfragen werden pro Monate im Netz nach Pornografie gestellt. Der Pornokonsum ist im Vergleich zum Vorjahr um 34 % gestiegen. Dabei haben sich rund 90 % der erwachsenen Männer und 50 % der erwachsenen Frauen schon einmal oder mehrmals pornografische Inhalte angesehen.

So weit, so gut. In der Theorie sind Pornos erst ab 18 erlaubt – was aber nicht heißt, dass nicht auch Kinder und Jugendliche an die Filmchen rankommen. Mit einem Klick, bzw. einer Lüge, lässt sich auf den meisten einschlägigen Seiten die Altersbeschränkung austricksen. Das funktioniert so gut, dass Jugendliche im Schnitt mit 13 ihren ersten Pornofilm ansehen. In der Altersgruppe zwischen 14 und 15 sind dann schon 60 % der Jugendlichen damit in Berührung gekommen, bei den 15- bis 16-Jährigen sind es dann sogar 65 %.

Jetzt könnte man sagen: Na und? Es sind doch nur Filmchen, bestimmt wissen die Jungs, Mädels und Diversen, dass es sich dabei um nicht-realistische sexuelle Aufnahmen handelt, die nur vorgespielt werden? – Schön wärs, denn leider bewerten nur 28 % der Jugendlichen, die Pornografie konsumieren, diese als unrealistisch – d.h. 72 % hält die in den Filmen gezeigten Handlungen und auch die Körper für realistisch. Und das ist ein Problem, bzw. kann zu einem werden... 

Was bedeutet Pornografie eigentlich?

Nach dem Duden handelt es sich dabei um: „sprachliche, bildliche Darstellung sexueller Akte unter einseitiger Betonung des genitalen Bereichs und unter Ausklammerung der psychischen und partnerschaftlichen Aspekte der Sexualität.“

Die Sache mit den pornografischen Inhalten

Von sexuellen Übergriffen, Menschenhandel, Zwang und zu jungen Darsteller:innen in der Pornoindustrie will ich hier gar nicht erst anfangen – denn man muss dazusagen: das gilt nicht für die ganze Branche. Auch hier hat eine Entwicklung stattgefunden, wie bspw. dadurch, dass es schon länger explizit von Frauen für Frauen konzipierte Filmchen gibt, oder in bestimmten Kategorien vor und nach den sexuellen Inhalten über Konsens und Handlungen gesprochen wird. Trotzdem sollte man natürlich, wie in jedem Bereich des Konsums, darauf achten, was man konsumiert.

Ist daran auch was gut? 

Kann es gut sein, vor allem als Jugendliche:r oder junger Mensch, Pornos zu sehen? Die Aufklärungsarbeit in Familien und Schule kann an manchen Stellen Fragen offen lassen, v.a. auch dann, wenn es um nicht-heteronormative Sexualität geht oder Praktiken, die man nicht als ‚Norm‘ bezeichnen würde. 

Hier ist es vielleicht nicht schlecht, dass es die Möglichkeit gibt, sich selbst durch Bilder, Videos und Co. aufzuklären, zu verstehen, dass man mit seiner Sexualität, Neigung, Ausprägung oder was auch immer eben nicht alleine ist. Das kann v.a. junge Menschen, denen es oft noch an Selbstbewusstsein fehlt, helfen sich selbst und ihre sexuelle Orientierung zu akzeptieren

Wie bei allem kommt es aber auch hier auf die Masse an. Denn es gibt einen Unterschied zwischen aus Neugier mal kurz gucken und so dran hängenbleiben, dass man nicht mehr davon wegkommt. 

Negative Auswirkungen

Und genau da kommen wir zu den negativen Folgen von zu viel Pornografie vor allem in jungen Jahren. Denn das kann dazu führen, dass:

  • man sich überstimuliert, also die Empfindung von sexueller Attraktivität und Lust abstumpft: denn wir können uns sehr schnell an bestimmte Reize gewöhnen und brauchen dann immer mehr, um dabei noch etwas zu spüren. 
  • die Grenzen zwischen Filmchen/Schauspiel und Realität verschwimmen: vor allem, wenn man noch keine oder nicht so viele sexuellen Erfahrungen gesammelt hat, kann man nicht differenzieren, ob die Darstellung in Pornos ‚realitätsgetreu‘ ist oder nicht.
  • sich falsche Erwartungen an ‚normale‘ sexuelle Handlungen verankern: dadurch, dass man nicht mehr – oder nur schwer – zwischen Fake und Realität unterscheiden kann, denkt man viell., dass bestimmte, bspw. stark frauenverachtenden Handlungen, total in Ordnung sind und man das einfach so macht, tut dann in der realen Welt aber einer anderen Person durch diese Annahmen weh.
  • verzerrte Körperbilder: Makellosigkeit von Haut und Haaren, die Größe bestimmter Körperteile, perfekte Proportionen – viele Pornodarsteller:innen arbeiten hart an ihren Körpern und haben sich auch schon vielen Operationen unterzogen. Realistische Körper sind zwar auch hier weiter im Kommen, werden aber noch lange nicht überall gezeigt.
  • sich eine Pornosucht entwickelt.

Was ist Pornosucht?

Bei Menschen, die in ihrem Alltag den Konsum von Pornografie brauchen und alles andere, Schule, Job, Familie etc. um diesen Konsum drumherumbauen, dabei auch negative Konsequenzen wie schlechte Noten, Abmahnung und Co. in Kauf nehmen und gleichzeitig immer mehr Filme mit immer krasseren Inhalten benötigen, kann es sich um eine Pornosucht handeln. Denn ja: auch nach sexuellen Filmchen kann man süchtig werden. 

Die Realität nicht aus den Augen verlieren

Pornografie an sich ist weder gut noch schlecht, denn es kommt immer darauf an, was, wozu und wie viel man davon konsumiert. Wichtig in Bezug auf Kinder, Jugendliche und junge Menschen ist eine ordentliche Aufklärung über den Unterschied zwischen Phantasie/Fake und Realität und das nicht nur, wenn es um die sexuellen Handlungen und das Verhalten der Protagonist:innen geht, sondern auch bei den Körperbildern.

Es ist vollkommen in Ordnung sich Reize, Ideen oder Stimulation durch erotische Inhalte zu holen, solange man sich bewusst ist, dass es sich dabei um Filme handelt und man es einfach nicht übertreibt. Denn zu viel davon kann längerfristig dazu führen, dass wir uns von der realen Sexualität, der, die zwischen Menschen passiert, entfremden, und zwar so sehr, dass Intimität schwer bis gar nicht mehr möglich ist – und da wär’s doch schade drum. 

(BzKJ/Psychologisches Institut UZH/medienanstalt-rlp/ins-netz-gehen/tk/SALI)

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