Online vernetzt, im Real Life isoliert?
Wir alle hängen echt oft am Handy und das täglich mindestens mehrere Stunden: im deutschen Durchschnitt sind das 2,5 bis 3,5h am Tag. Klar wird nicht alles davon in Social Media investiert, man tauscht sich auch mal aus, schickt Sprachnachrichten, telefoniert oder Ähnliches.
Trotzdem ist es bei vielen von uns so, dass wir ‚nur kurz‘ mal ein Video angucken wollen und dann im Doomscrolling hängen bleiben – und plötzlich fliegt die Zeit davon. Prinzipiell ist auch nicht alles an Social Media Apps wie TikTok, Insta und Co. schlecht, schlimm wirds nur, wie bei allen Medien, wenn man es mit dem Konsum übertreibt. Welche Auswirkungen das hat und wieso viele davon schnell unangenehm werden können, kannst du hier lesen.
Was passiert bei zu viel Social-Media-Konsum?
Wer zur Jahrtausendwende oder danach geboren wurde, kann sich ein Leben ohne Insta und Co. vermutlich gar nicht vorstellen. Die meisten sind damit aufgewachsen und haben die Nutzung in ihren Tagesablauf integriert. Kein Wunder, denn Social Media Apps bieten eine spannende Mischung aus Entertainment, nützlichen Infos, Ablenkung, Fun, Schnelllebigkeit und einem ausgeklügelten Belohnungssystem.
Im Schnitt sind die Videoausschnitte unter einer Minute lang, werden aber trotzdem oft nicht ganz zu Ende gesehen – eine Folge des Social Media Trends: wir werden ungeduldig, wir werden sensationsgierig und wir wollen immer mehr.
Die negative Seite von Social Media
Super viele Informationen in super wenig Zeit, das führt schnell zur Reizüberflutung. Und ganz gleich, ob du aktiv als Content Creator:in unterwegs bist oder nur passiv konsumierst, Social Media kann dir die Lebenszeit sprichwörtlich klauen, indem sie dich davon abhält im realen Leben was zu erreichen.
Zu viel Social Media, kann längerfristig schädlich sein für:
- dein Selbstwertgefühl: wer sich dauernd den ‚perfekten‘ Menschen mit ‚perfekten‘ Körpern, aber auch den ‚perfekten‘ Leben gegenübersieht und sich ständig mit ihnen vergleicht, kann nur schlechter abschneiden. Viele Bilder und Videos sind zwar Fake, nur erkennt man das selbst oft schlecht. Das kann zu Minderwertigkeitskomplexen, Body Dismorphia oder anderen Problem mit dem eigenen Körper, Leben und dem eigenen Selbst führen.
- deine Psyche: der tägliche digitale Wettbewerb, negative Kommentare bis hin zu Cybermobbing – nicht selten können sich daraus psychische Erkrankungen wie Depressionen, Burnout oder Angststörungen entwickeln. Auch irgendwie ungut ...
- deine körperliche Gesundheit: wer bis spät in die Nacht auf Social Media Apps festhängt, schläft oft nicht genug oder kann wegen der Reizüberflutung nicht mehr gut schlafen. Das kann sich von Ermüdungserscheinungen, Schlafproblemen bis hin zu ernsthaften Schlafstörungen entwickeln. Vor allem, wenn das Scrollen zur Sucht wird und dadurch der eigene Körper – Ernährung, Hygiene etc. – vernachlässigt wird, kriegt man schnell physische Schwierigkeiten.
- deine Leistungsfähigkeit und Konzentration: eine Mischung aus schnellem Belohnungssystem, Reizüberflutung, dem Wunsch nach mehr und der Schnelllebigkeit von Social Media führen in der Konsequenz dazu, dass wir uns weniger gut und weniger lang konzentrieren können. Dadurch können unsere Leistung in anderen Bereichen des Lebens wie Schule, Uni oder Arbeit darunter leiden. Es gibt Studien, die diese Entwicklung belegen.
Wenn aus Spaß Sucht wird
Allgemein wird Sucht im Duden definiert als krankhafte Abhängigkeit und übersteigertes Verlangen, was natürlich auch für Social-Media-Sucht gilt. Im Gegensatz zu bestimmten Substanzen, die süchtig machen, ist es aber hier oft das Belohnungssystem, dass schnell in die Sucht treiben kann.
Durch die Nutzung von Apps wie Insta, TikTok und Ähnlichem wird Dopamin, ein Nervenbotenstoff, ausgeschüttet, der positive Gefühle auslöst und dadurch eine Art Belohnungseffekt auslöst. Diese Gefühlserlebnisse will man dann immer wieder erleben – so kann längerfristig eine Sucht entstehen.
Ab wann führt Social-Media-Konsum zur Sucht?
Mehr als drei Stunden tägliche Nutzung deuten eigentlich schon auf ein suchtartiges Verhalten hin. Heißt: im Grunde sind wir alle schon (ein bisschen) süchtig.
Wichtig im Kontext von Sucht ist immer die Frage, ob das Verhalten dich negativ beeinflusst, bspw. ob du deswegen reale Verpflichtungen absagst, dich sozial einigelst, deine Zeit nur noch mit Social Media verbringst und dir das nicht guttut. Das heißt: ob du wirklich süchtig bist, kannst nur du, die nahestehende Menschen und Expert:innen einschätzen. Solltest du dich aber unwohl fühlen und die Geschichte mit deinem Medienkonsum wird dir zu bunt, kannst du dich an diverse Beratungsstellen wenden, z.B. die Caritas.
Wie beeinflusst Social Media die Liebe?
Wir leben ja allgemein schon in einer Art Wegwerfgesellschaft, die sich auch auf unser Liebesleben auswirkt: Situationships, Hookups, Selbstverwirklichung anstatt Beziehungsgoals. Das freut alle, die nichts Festes oder nur die schnelle Liebe suchen, die keine Kompromisse eingehen und keine Verantwortung übernehmen wollen. Für Menschen, die sich wirklich eine Beziehung wünschen, stehen die Odds gerade ehrlich ungut.
Das wird uns auch durch Social Media vorgespielt. Zusammen mit den verzerrten Schönheits- und Beziehungsbildern trägt das nicht unbedingt viel Positives zum Thema bei. Einerseits werden komplett gefakte Körper normalisiert, andererseits ein zwar breit gefächert und diverser Einblick in die Beziehungslandschaft gegeben, nur Funfakt: auch hier ist das Meiste nicht echt.
Liebesbeziehungen werden oft zum Statussymbol für Likes und Shares, das gilt aber nicht nur für die ‚perfekten‘, sondern auch für die ‚schlechten‘ Beziehungen. Oft wird glorifiziert oder gehatet – der Content geht nicht selten extrem in eine der beiden Richtungen, die Mitte, also die Darstellung von ‚normalen‘ Beziehungen, fehlt.
Vor allem jüngere Menschen kriegen hier schnell ein Problem: sexualisierte Gewalt gegen Frauen, selbsterkoren Beziehungscoaches, die von Seelenmenschen reden, ganze Gruppen, die das Single-Leben glorifizieren. Nicht alle Accounts sind gefährlich, nicht alle Accounts sind Fakes – aber es ist wirklich wüst auf Social Media.
Die Folgen können falsche Erwartungen an das äußere Erscheinungsbild des Liebesinteresses oder deren/dessen Rolle in der Partnerschaft, Übersexualisierung, aufdringliches bis gewaltverherrlichendes Verhalten, starke Eifersucht und mehr sein und sich bis in die Lebensrealität der Konsument:innen/Creator:innen ziehen. In der Konsequenz werden die Dauer von Beziehungen im Schnitt immer kürzer und es gibt mehr Singles. Ob das per se schlecht ist, keine Ahnung.
Die Lösung: Social Media Detox?
Dauernd online, dauernd durch Notifications erreichbar, zu oft am Scrollen – wenn dir das auf die Nerven geht und du mal abschalten willst, ist Social Media Detoxing vielleicht was für dich. Denn dabei geht es genau darum: davon zu ‚entgiften‘ und ‚auszuruhen‘.
Egal, ob du täglich weniger auf den Apps rumhängen oder für einen längeren Zeitraum davon loskommen willst, beim Detoxing entscheidest du selbst wie lange. Die Hauptsache ist: du verbringst weniger Zeit mit Social Media und mehr Zeit mit dir.
Tipps für den Social Media Detox
- App-Timer nutzen: über die App-Einstellungen kannst du die tägliche Nutzungszeit einstellen, bspw. 30 Minuten. Läuft die Zeit ab, kannst du einmalig verlängern, dann schließt sich die App. Guter Start, um deine Bildschirmzeit pro Tag ein bisschen besser unter Kontrolle zu bekommen. Übrigens kannst du dir je nach Wochentag andere Zeitfenster setzen, bspw. unter der Woche jeweils 30 Minuten, am Samstag und Sonntag dafür aber komplett unbeschränkt.
- Handyfreie Zeiten und Orte etablieren: kurz vor dem Schlafengehen nicht mehr auf Insta oder TikTok gucken, während dem Lernen das Handy weglegen oder morgens erst aufstehen und fertig machen, dann die Apps checken. So kannst du dir deinen Konsum zu bestimmten Zeiten abgewöhnen. Dasselbe gilt für Orte: am Esstisch/beim Essen, bei den Eltern, im Bad – so brichst du aus dem Muster aus, dein Handy immer und überall griffbereit zu haben, musst du nämlich nicht. In der Jackentasche im Flur macht es sich auch manchmal gut.
- Alternativen suchen: hast du Hobbys? Lesen, Malen, Fitness, neue Locations erkunden, Brettspiele – whatever. Fokussiere dich darauf. Mach einfach mehr mit dir oder anderen, aber ohne Social Media. Solltest du übrigens noch keine Hobbys oder Freizeitaktivitäten haben, die du regelmäßig ausübst, ist jetzt vielleicht der perfekte Zeitpunkt dir welche zu suchen.
Denk dran: Medien sind nice, Social Media ist nicer, aber das echte Leben ist oft am nicesten (oder immerhin real)!
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