Chancengleichheit

Gleichstellung beantragen: Vorteile für Uni und Arbeitsplatz

Gruppe diverser Studierenden, die zusammen diskutieren. Eine Studentin sitzt im Rollstuhl.
Eine Gleichstellung kann kann dich dabei unterstützen deine Chancen zu verbessern. (Foto: © WavebreakMediaMicro)
Du hast eine chronische Erkrankung oder eine Einschränkung, die dich im Studium oder Job bremst? Dann kann dir eine Gleichstellung helfen. Hier erfährst du, wie’s funktioniert und warum sich der Antrag lohnen kann.
Mittwoch, 09.07.2025, 09:00 Uhr, Autor: Sarah Hoffmann

Wenn du einen Grad der Behinderung (GdB) zwischen 30 und 49 hast, kannst du dich mit schwerbehinderten Menschen gleichstellen lassen. Das bedeutet: Auch wenn du keinen Schwerbehindertenausweis bekommst, kannst du trotzdem viele Rechte und Schutzmaßnahmen nutzen, die eigentlich Menschen mit einem GdB ab 50 vorbehalten sind.

Der Hintergrund: Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen haben im Arbeitsleben häufig Nachteile – sei es durch höhere Fehlzeiten, geringere Belastbarkeit oder weil sie bestimmte Tätigkeiten nicht mehr (voll) ausführen können. Mit der Gleichstellung sollen diese Nachteile ausgeglichen werden, damit du einen geeigneten Job finden oder behalten kannst. Gleichstellung ist also keine Gnade, sondern ein Recht – und eine konkrete Maßnahme für mehr Chancengleichheit im Studium und Berufsleben.

Gleichstellung beantragen: Voraussetzungen und Ablauf

Du möchtest die Gleichstellung beantragen? Dann ist dafür die Agentur für Arbeit zuständig – konkret die am Ort deines Wohnsitzes oder Arbeitsplatzes.

Der Antrag kann auf verschiedenen Wegen gestellt werden:

  • Online über die Webseite der Arbeitsagentur
  • Telefonisch, schriftlich oder persönlich
  • Auch formlos, d. h. ohne spezielles Formular – ein kurzes Schreiben oder Gespräch reicht

Wichtig: Die Gleichstellung gilt rückwirkend ab dem Tag des Antragseingangs. Wenn du also z. B. Kündigungsschutz brauchst, ist der Zeitpunkt der Antragstellung entscheidend – nicht das Datum der Bewilligung!

Mit dem Antrag musst du Nachweise über deine Behinderung einreichen – in der Regel der Feststellungsbescheid des Versorgungsamts, aus dem dein GdB hervorgeht. Auch andere Nachweise wie Rentenbescheide oder Gerichtsentscheidungen sind möglich.

Die Agentur für Arbeit prüft deinen Antrag und hört ggf. deine:n Arbeitgeber:in sowie den Betriebs- oder Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung an – aber nur, wenn du dem zustimmst. Du hast hier also volle Kontrolle über den Prozess.

Vorteile bei Gleichstellung: Das bringt’s dir konkret

Mit der Gleichstellung erhältst du nahezu alle arbeitsrechtlichen Vorteile, die auch schwerbehinderte Beschäftigte genießen. Und das kann einen echten Unterschied machen – besonders wenn du im Job schon an Grenzen stößt oder dich bewerben möchtest.

Diese Rechte und Vorteile bekommst du:

  • Besonderer Kündigungsschutz: Dein:e Arbeitgeber:in darf dir nicht einfach kündigen. Es braucht die Zustimmung des Integrationsamts.
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Zum Beispiel Zuschüsse für Umschulungen, Weiterbildungen, Reha-Angebote.
  • Hilfe bei der Arbeitsplatzgestaltung: Barrierefreier Umbau, technische Hilfen, ergonomische Anpassungen etc.
  • Unterstützung durch Fachdienste: Beratung und Begleitung durch den Integrationsfachdienst.
  • Wahlrecht bei der Schwerbehindertenvertretung: Du darfst wählen und dich selbst aufstellen lassen.
  • Lohnkostenzuschüsse für deine:n Arbeitgeber:in: Das macht dich für Unternehmen attraktiver – z. B. bei Bewerbungen.

Diese Rechte bekommst du NICHT:

  • Kein Schwerbehindertenausweis
  • Kein Zusatzurlaub
  • Keine unentgeltliche Beförderung im ÖPNV
  • Kein vorgezogener Renteneintritt

Trotzdem: Die Gleichstellung bietet dir rechtliche Sicherheit, echte Unterstützung im Berufsleben und mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Gerade, wenn du dich oft benachteiligt fühlst oder dich schwertust, einen passenden Job zu finden, kann die Gleichstellung dir neue Türen öffnen.

Gleichstellung im Job: Was bedeutet das für Arbeitgeber:innen?

Vielleicht fragst du dich, was passiert, wenn dein:e Arbeitgeber:in von deinem Antrag erfährt. Die gute Nachricht: Dein Arbeitgeber kann die Gleichstellung nicht verhindern. Er oder sie wird zwar ggf. im Rahmen der Prüfung von der Agentur für Arbeit gehört, hat aber kein Widerspruchsrecht.

Für Arbeitgeber:innen kann die Gleichstellung sogar finanziell attraktiv sein:

  • Zuschüsse zur Einstellung oder Beschäftigung
  • Anrechnung auf Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen
  • Senkung der Ausgleichsabgabe, wenn Quoten erfüllt werden

Du musst deinem Arbeitgeber nicht sofort von der Gleichstellung erzählen. ABER: Wenn du später von einer Kündigung betroffen bist, gilt der besondere Kündigungsschutz nur, wenn dein:e Arbeitgeber:in spätestens drei Wochen nach Kündigung von der Gleichstellung erfährt. Deshalb solltest du im Fall der Fälle schnell handeln und den Status mitteilen.

Gleichstellung an der Uni: Was gilt für Studis?

Auch im Studium können gesundheitliche Einschränkungen dafür sorgen, dass du nicht dieselben Chancen hast wie deine Kommiliton:innen – etwa bei Prüfungen, Fristen oder der Teilnahme an Lehrveranstaltungen. Eine Gleichstellung kann dir hier helfen, Nachteile auszugleichen, selbst wenn du keinen Schwerbehindertenausweis hast.

Wichtig: Es gibt an Hochschulen keine automatische Gleichstellung im rechtlichen Sinne wie im Job, aber viele Unis und Hochschulen erkennen die Gleichstellung von der Agentur für Arbeit an, um dir individuelle Nachteilsausgleiche zu gewähren.

Mögliche Vorteile für dich im Studium

  • Verlängerung von Prüfungszeiten z. B. bei chronischer Erschöpfung, Konzentrationsproblemen oder eingeschränkter Schreibfähigkeit
  • Fristverlängerungen für Hausarbeiten oder Abschlussarbeiten, wenn du krankheitsbedingt nicht im üblichen Zeitrahmen arbeiten kannst
  • Ersatzleistungen für nicht machbare Studienbestandteile z. B. wenn du wegen einer Mobilitätseinschränkung nicht an Exkursionen teilnehmen kannst
  • Anpassung der Studienorganisation – z. B. Teilzeitstudium oder flexiblere Anwesenheitspflichten

Die Grundlage für diese Maßnahmen ist in der Regel ein Nachteilsausgleich, den du beim Prüfungsamt oder bei der Studienberatung beantragen kannst. Eine Gleichstellung durch die Agentur für Arbeit oder ein entsprechender GdB-Bescheid kann hier als Nachweis dienen – oft wird aber zusätzlich ein ärztliches Attest verlangt.

Tipp: Wende dich an:

  • das Prüfungsamt deiner Fakultät,
  • die Beauftragten für Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung an deiner Hochschule oder
  • die psychosoziale oder sozialrechtliche Beratung des Studierendenwerks.

Die wissen genau, was in deinem Fall möglich ist und wie du einen Antrag auf Nachteilsausgleich stellen kannst – am besten rechtzeitig vor der nächsten Prüfung oder Abgabe!

Wann lohnt sich eine Gleichstellung wirklich?

Die Gleichstellung lohnt sich immer dann, wenn du durch deine gesundheitliche Situation Nachteile auf dem Arbeitsmarkt hast – egal, ob du schon arbeitest oder dich noch bewerben willst.

Hier ein paar typische Situationen, in denen eine Gleichstellung besonders sinnvoll ist:

  • Du hast einen festen Job, aber deine Erkrankung führt zu Konflikten, Abmahnungen oder Problemen mit Kolleg:innen.
  • Du fehlst häufig oder schaffst dein Arbeitspensum kaum noch – und hast Angst vor einer Kündigung.
  • Du bist arbeitslos und bekommst nur Absagen – vielleicht, weil du gesundheitlich eingeschränkt bist.
  • Du hast ein Jobangebot, aber dein künftiger Arbeitsplatz müsste umgebaut oder angepasst werden.
  • Du bist Studi mit Einschränkungen – und brauchst Unterstützung, um dein Studium erfolgreich durchzuziehen.

Wichtig: Die Gleichstellung kann dir nur helfen, wenn deine Einschränkungen wirklich im beruflichen Kontext spürbar sind – also nicht einfach, weil du chronisch krank bist, sondern weil du dadurch Nachteile im Job hast.

Fazit: Gleichstellung als Chance im Studium und Berufseinstieg

Ob im Hörsaal oder im Büro – wenn du durch eine gesundheitliche Einschränkung Nachteile hast, musst du das nicht einfach hinnehmen. Mit der Gleichstellung bekommst du Rechte, Schutz und echte Unterstützung, selbst wenn du keinen Schwerbehindertenausweis hast.

Du profitierst z. B. von besonderem Kündigungsschutz, Fördermöglichkeiten, Hilfen beim Berufseinstieg oder Anpassungen im Studium. Auch Arbeitgeber:innen haben etwas davon – was dich als Bewerber:in zusätzlich attraktiv macht.

Klar ist: Die Gleichstellung ist kein Makel, sondern ein Werkzeug, das dir helfen soll, deine Ziele zu erreichen – fair, rechtlich abgesichert und ohne Umwege. Also: Wenn du dich wiedererkennst, informier dich, hol dir Unterstützung und trau dich, den Antrag zu stellen. Du hast nichts zu verlieren – aber jede Menge zu gewinnen.

(Arbeitsagentur/Bundesministerium für Arbeit und Soziales/Bundesstiftung Gleichstellung/Friedrich-Ebert-Stiftung/SoVD/Universität zu Köln/VdK/SAHO)

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