Beziehungskrise: Wenn es nicht mehr läuft
Mit eine:r Partner:in durchs Leben zu gehen ist mega nice – vorausgesetzt es läuft gut zwischen euch. Manchmal werden Beziehungen aber zum reinen Stressfaktor. Ständig gerät man aneinander, alles am anderen nervt phänomenal. Harmonie? Fehlanzeige. Was tun, wenn die Situation derart verfahren ist? Wir geben dir ein paar Tipps, wie du wieder auf festen Boden kommst.
Liebe ist...
Absolut jede Partnerschaft ist einzigartig. Es gibt super enge Bindungen, in denen zwei oder mehr Menschen fast symbiotisch verschmelzen und es gibt lockere, undefinierte Geschichten, die eher so ein Situationship bezeichnet. Auch die Anzahl der beteiligten Leute ist weiß Gott nicht vorgegeben. Von zwei bis unendlich viele können involviert sein.
Wobei es sicher auch irgendwo einen Menschen gibt, der oder die überzeugt ist, für eine Beziehung reicht ein:r alleine. Kein Ding. You do you. Wobei hier die Konfliktklärung sicherlich um einiges interessanter anzusehen ist – aber zurück zum eigentlichen Thema.
Wie verhalte ich mich in einer Beziehungskrise?
Streit gibt es immer wieder mal, das ist nicht nur vollkommen normal, sondern auch wichtig in einer Beziehung, denn Meinungsverschiedenheiten stärken ebenfalls die Liebe. Auch, dass der/die andere dich hin und wieder nervt, gehört dazu. Was aber tun, wenn es schon länger kriselt? Wenn du wirklich fundamental sauer bist und eigentlich nicht mal mehr Bock hast, zu reden oder überhaupt Zeit miteinander zu verbringen? Jetzt könntest du gleich eskalieren und dich trennen. Das ist eine Möglichkeit, die, wenn es sich für dich richtig anfühlt, ok ist.
Besonders bei einem Vertrauensbruch, wie beispielsweise Fremdgehen oder einer Gewalteskalation, ist der Weg zurück zu einer funktionierenden Partnerschaft mitunter sehr schwierig bzw. gar nicht mehr möglich – außer man arbeitet wirklich hart daran.
Sind die Gründe aber weniger heftig, gibt es ein Zurück. Gerade wenn du merkst, dass noch ganz viele positive Gefühle vorhanden sind, also eher ein: ja, ist gerade Kacke, dennoch will ich diesen Menschen absolut nicht verlieren – dann ist es Zeit für einen gemeinsamen Neustart. Betonung liegt auf gemeinsam. Alleine eine Beziehung retten zu wollen, wird nicht funktionieren. Das hat es in der Geschichte der Menschheit noch nie und nein, du wirst nicht der/die erste sein, bei dem/der es funktioniert.
Klassische Ursachen und Reaktionen
Hier für dich noch einmal auf einen Blick, was so die häufigsten Ursachen für Krisen sind:
- Kommunikationsprobleme
- Untreue oder Vertrauensbrüche
- Unterschiedliche Lebensziele oder Werte
- Mangelnde Intimität oder emotionale Distanz
- Stress durch äußere Umstände: Studium, Job, Erkrankung eines:r Partner:in
- Ungleichgewicht bei Aufgabenverteilung oder Verantwortung
All diese Punkte führen regelmäßig zu Auseinandersetzungen zwischen Liebenden. Ich behaupte mal: weltweit. Was passiert dabei genau?
- Ständiger Streit oder das andere Extrem – gegenseitiges Anschweigen
- Gefühle von Unzufriedenheit, Leere, Stress, Einsamkeit
- Rückzug eines oder beider Partner:innen
- Gefühle wandeln sich von Liebe hin zu Abneigung
- Im täglichen Miteinander gehen Respekt, Verständnis und Wertschätzung flöten
- Gedanken über eine mögliche Trennung werden stärker
Kommt dir alles sehr bekannt vor, dann ist das wahrscheinlich ein guter Moment um mal innerlich innezuhalten und sich klar zu werden, was du willst. Beziehung ja oder nein? Wenn ja, dann beginnt jetzt der ungemütliche Teil.
Kommunikation ist alles
Tausendmal gehört und es stimmt auch einfach. Miteinander reden, und zwar offen und sehr ehrlich, ist die Grundlage jeder funktionierenden Beziehung. Nicht nur in einer Partnerschaft, auch in Freundschaften, Familien, in Teams – funktioniert die Kommunikation nicht, wird’s meistens früher oder später übel.
Klar, wir reden alle den ganzen Tag und stehen permanent im Austausch mit unseren Mitmenschen. Häufig merken wir allerdings, beim anderen kommt nicht wirklich an, was wir gemeint haben. Missverständnisse sind an der Tagesordnung. Eigentlich ist Kommunikation nicht nur die Grundlage sämtlicher Beziehungen, sondern auch die Ursache für Streit, Verletzungen und Chaos. Warum? Weil wir nicht wirklich miteinander reden und ebenfalls sehr wichtig: zuhören. Beides gehört untrennbar zusammen.
Verstehen, was dein Gegenüber sagt
Zuhören ist eine Eigenschaft, die jedoch nicht ganz einfach ist. Es erfordert ein wenig Mühe, dem Gegenüber die volle Aufmerksamkeit zu schenken und nicht schon den eigenen nächsten Gedanken zu formulieren. Stattdessen solltest du versuchen, die Botschaft des anderen zu verstehen – akustisch und emotional und kognitiv.
Versuch doch mal, das Gehörte mit deinen eigenen Worten zu wiederholen. So kannst du überprüfen, ob du die Botschaft tatsächlich verstanden hast und du verlierst dich nicht in unnötige bzw. fehlgeleitete Interpretationen – die dann wieder zu Stress zwischen euch führen können. Ganz wichtig dabei ist: sei offen für die Gefühle und Bedürfnisse deines:r Partner:in. Versucht beide möglichst nicht wertend zu agieren und wohlwollend miteinander umzugehen.
Ganz ungünstig in einer Krise sind folgende Verhaltensweisen:
- Gegenseitige Schuldzuweisungen
- Schweigen
- sich aus dem Weg gehen
- eigene Annahmen über die Gedanken und Gefühle des/der anderen nicht überprüfen und für gesetzt ansehen
- Dritte (z. B. Familie, Freunde) zu stark einbeziehen
- Impulsive Entscheidungen, wie eine unüberlegte Trennung
Keine dieser Strategien führt zum Erfolg. Im Gegenteil, damit heizt du die Krise nur noch an. Glücklich wirst du damit auch nicht, weil du deinen eigenen Stresslevel ebenfalls nach oben treibst.
Wie löst man Kommunikationsprobleme in einer Beziehung?
Bevor ihr in die Kommunikation geht, empfehlen wir dir, dich erstmal mit dir selbst zu beschäftigen. Selbstreflexion ist eine sehr wichtige Grundlage für Glück und Zufriedenheit im Leben. Nicht nur in Partnerschaften, sondern generell hilft es dir, wenn du weißt, wer du bist und was du willst. Also, nutze einen langen Spaziergang, Joggen, Meditieren oder was immer dir hilft, um ins Gespräch mit dir selbst zu kommen. Spür hin:
- Wie geht es dir?
- Was möchtest du oder brauchst du?
- Was erwartest du vom anderen?
Das ist auch ein guter Moment, um auch deine eigenen Anteile an der Krise zu hinterfragen:
- Hast du etwas zur angespannten Lage beigetragen?
- Kannst und vor allem willst du an deinem Verhalten etwas ändern?
- Wie weit möchtest du ihm oder ihr entgegenkommen?
- Was kannst du eventuell gar nicht akzeptieren?
Hast du all diese Punkte für dich einigermaßen klären können, bitte auch dein:e Partner:in diese Fragen für sich selbst zu beantworten. Habt ihr das beide getan, wird es Zeit für ein Gespräch.
Tipp: Versucht, möglichst entspannt und offen in das Gespräch zu gehen. Vielleicht powerst du dich aus oder, ganz im Gegenteil, meditierst vorher eine Runde. Wenn ihr schon vorher geladen seid, wird das Ganze garantiert in die Hose gehen.
Setzt euch an einem ruhigen Ort, ohne unnötige Zuhörer:innen oder Ablenkungen. Nehmt euch die Zeit, ganz für euch zu sein. Ein Gespräch zwischen Tür und Angel wird definitiv keinen Erfolg bringen. Vielleicht helfen euch ein paar gemeinsame Regeln, beispielsweise:
- Jeder darf aussprechen
- Jeder darf seine Gefühle zeigen
- Ihr wartet jeweils 30 Sekunden, bis ihr auf die Aussage des/der anderen reagiert – damit könnt ihr impulsive Reaktionen im Zaum halten und habt Zeit, das Gesagte kurz wirken zu lassen
Tipp: Wenn es euch hilft, könnt ihr einen Timer verwenden. Jeder darf 3 Minuten reden, Pause, dann der andere.
Auch wenn ihr merkt, dass es hitzig wird, macht eine Pause. Beruhigt euch. Nehmt euch einen Moment, um wieder runterzukommen. Dann könnt ihr einen neuen Anlauf starten. Einander anzubrüllen kann zwar durchaus befreiend sein, aber direkt zielführend ist es nicht.
Grundlegende Tipps für eine funktionale Beziehung:
- Erwarte nicht vom anderen, dass er deine Bedürfnisse erkennt und erfüllt!
- Für dein Wohlbefinden bist du selbst verantwortlich, sonst niemand!
An diesen Stellen knackt es häufiger. Die märchenhafte Vorstellung, dass dich ein Mensch „rettet“ oder dein Leben erst durch diesen einen Menschen „lebenswert“ ist, ist ziemlich gefährlich. Übertrage die Verantwortung für dein Leben und deine Zufriedenheit nicht auf einen anderen Menschen. Das ist nicht nur unfair, sondern – sorry – auch kein erwachsenes Verhalten.
Worauf ihr noch achten solltet, auch in guten Zeiten:
- Redet offen miteinander, selbst wenn es unangenehm ist
- Hört euch zu
- Nehmt euch Zeit füreinander
- Schafft kleine Rituale, wie einander am Abend Vorlesen, Date-Nights oder Wannen-Rendezvous
- Findet gemeinsame Ziele
- Sendet sogenannte Ich-Botschaften
- Vermeidet Vorwürfe, stattdessen äußert eure Erwartungen klar und deutlich
- Geht Kompromisse ein, aber achtet auf eure Grenzen
- Erstellt Regeln für Auseinandersetzungen, beispielsweise nicht wütend ins Bett gehen, nicht anbrüllen
- Schenkt euch kleine Gesten der Aufmerksamkeit
Natürlich gibt es auch noch den Weg zur professionellen Hilfe. Für richtig festgefahrene Krisen gibt es Paarberatungen oder Paartherapie, genauso wie Mediatoren oder Coaches. Eine unbeteiligte dritte Person kann eine Außenperspektive geben und eure Kommunikation wieder auf ein funktionales Level bringen.
Wann ist die Beziehung nicht mehr zu retten?
Bringt all das keine Entspannung, solltest du ernsthaft darüber nachdenken, Schluss zu machen. Gerade wenn es zu einem ernsthaften Vertrauensbruch kommt, ist es mitunter unmöglich, dieses Gefühl, von Verrat zu überwinden. Es gibt Situation, die lassen sich einfach nicht wiedergutmachen.
Für jeden kann das etwas anderes sein. Es gibt kleine und große Fehler, die wir nicht verzeihen können – und das ist in Ordnung. Wichtig ist einzig und alleine, dass du dich sicher und wohl in deiner Partnerschaft fühlst. Ist das nicht mehr der Fall, ist es Zeit zu gehen. Liebe kann viel, aber eben nicht alles.
Anzeichen, dass bei euch das Ende gekommen ist, können sein:
- Anhaltende Respektlosigkeit: Wenn es zu dauerhaft herabsetzenden, beleidigenden oder respektlosen Verhaltensweisen kommt und dieses auch trotz Gesprächen beibehalten wird
- Kommunikationsabbruch: Keiner will mehr reden
- Keine gemeinsame Zukunftsperspektive: Eure Ziele gehen in verschiedene Richtungen, einer will Kinder, der/die andere nicht, einer will in die Stadt, der/die andere aufs Land
- Keine Bereitschaft mehr für Kompromisse bzw. zur Veränderung
- Emotionales Auseinanderleben: Das tut richtig weh, das Gefühl von Einsamkeit in einer Beziehung, wenn der/die andere emotional nicht mehr erreichbar ist
- Fundamentaler Vertrauensbruch: Und zwar ohne die Bereitschaft zur Aufarbeitung oder wenn er wiederholt stattfindet
- Wiederkehrende destruktive Muster: Wenn ihr immer wieder dieselben verletzenden Streit- oder Verhaltensmuster durchlauft, ohne dass sich etwas verändert – trotz Gesprächen, Paartherapie oder ähnlichem
Gerade wenn es zu physischer oder psychischer Gewalt gekommen ist, solltest du eine Trennung in Erwägung ziehen. Derartiges Verhalten verschwindet nicht über Nacht, ganz im Gegenteil, es kann sich rapide steigern. Das Selbe gilt für Situationen, die dein Wohlbefinden oder deine Sicherheit gefährden können.
Dazu gehören Partner:innen, die beispielsweise Drogen- oder Spielsüchtig geworden sind. Das sind gravierende Probleme, die du in der Regel nicht alleine lösen kannst. Eher läufst du Gefahr in eine Co-Abhängigkeit zu geraten oder in noch ungünstigere Fahrwasser, wie beispielsweise die private Insolvenz. Eine Trennung, eventuell auch nur vorübergehend, kann dann sinnvoll sein.
Aus Respekt voreinander solltest du versuchen, die Trennung fair zu gestalten. Das ist, zugegeben, verdammt schwierig. Es trennt sich ja niemand vor lauter Liebe. Da sind dann Gefühle von Wut, Leere, Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit, mit denen jeder erst einmal umgehen lernen muss. Zumal der Mensch, zu dem wir in so einer emotionalen Notlage gehen würden, nicht mehr zur Verfügung steht. Damn it.
(ehe-und-paartherapie.de/KKH/CHHI)