Was kannst du gegen sexuelle Unlust tun?
Ob in Filmen, Büchern oder im Fernsehen – gefühlt haben alle immer und jederzeit Lust und dann wahnsinnig befriedigenden Sex. Der natürlich auch treffsicher jedes Mal zu einem gemeinsamen Höhepunkt führt, gerne auch mehrmals hintereinander.
Fakt: Deutsche haben im Schnitt zwischen vier und fünfmal Sex pro Monat. Das zeigen verschiedene Studien der letzten Jahre.
Passt das mit deiner Lebensrealität auch nicht so wirklich zusammen? Hast du Phasen, in denen du so gar keine Lust auf körperliche Zweisamkeit hast, oder ist es vielleicht schon ein Dauerzustand bei dir? Kein Grund, sich unter der Bettdecke zu verkriechen. Du bist ganz sicher nicht allein damit. Eher im Gegenteil. Die wenigsten Menschen verspüren andauernd den Wunsch nach Sex. Das liegt vor allem an unseren Hormonen. Es gibt aber auch andere Faktoren, welche die Libido beeinflussen.
Von Libidoverlust spricht man, wenn dauerhaft bzw. wiederkehrend kein Bedürfnis nach sexueller Aktivität besteht – dieser Zustand muss mindestens 6 Monate lang bestehen, um von einer sexuellen Funktionsstörung auszugehen.
Was löst sexuelle Unlust aus?
Ursachen kann es sehr viele geben. Viele denken wohl erstmal an körperliche Probleme, aber auch die emotionale und psychische Seite darf hier nicht vergessen werden. Die körperlichen Probleme sind bei Männern und Frauen größtenteils die gleichen. Dazu gehören:
- Hormonelle Veränderungen: nach der Geburt, Schilddrüsenerkrankungen, Testosteronmangel
- Medikamente: Antidepressiva, Blutdruckmittel, Hormonpräparate u. v. m.
- Krankheiten: Diabetes, Herzerkrankungen, chronische Schmerzen, neurologische Störungen etc.
- Urologische/gynäkologische Erkrankungen: Erkrankung der Harnwege oder Geschlechtsorgane, Impotenz
- Schmerzen beim Geschlechtsverkehr: das trifft besonders Frauen
- Schlafmangel und Erschöpfung
Jeder Körper reagiert dabei anders. Nicht alle verlieren unter der Einnahme von Antidepressiva oder nach der Geburt automatisch ihre/seine Libido. Da spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Aber wenn es blöd läuft, kann es passieren.
Asexuell vs. Libidoverlust
Solltest du schon seit längerem merken, dass dein Interesse an Sex gen 0 läuft, kannst du auf jeden Fall eine:n Arzt:in aufsuchen und mit ihm/ihr darüber sprechen. Vorausgesetzt natürlich, du leidest unter der Situation und möchtest aktiv etwas daran ändern.
Denn das tut nicht jede:r. Es gibt genügend Menschen, denen Sex als reiner Akt herzlich egal ist. Asexuelle Männer und Frauen und everything in between and beyond fühlen sich pudelwohl, ganz ohne Libido. Einfach entspannt und unaufgeregt das Leben ohne Sex genießen – das geht auch. Allerdings ist Asexualität, genauso wie die meisten anderen sexuellen Gefühlsrichtungen, angeboren und nix was man/frau sich willentlich zulegen kann. Wobei sich natürlich jeder für ein zölibatäres Leben bewusst entscheiden kann. Aber das hat dann weniger mit deiner Libido zu tun, sondern ist ein rein geistiger Akt.
Für alle nicht Asexuellen gilt: Ursachenforschung. Aber bitte mit Ruhe und sich selbst gegenüber wohlwollender Haltung. Ganz einfach, weil du nichts erzwingen kannst und einer der größten Lust-Killer ever Stress ist.
Mentale Blockaden
Damit gleiten wir, ganz unaufgeregt, in die psychischen Ursachen hinein. Dazu können gehören:
- Stress und Überforderung
- Depressionen oder Angststörungen
- Traumatische Erfahrungen
- Selbstwertprobleme, Scham
- negative Körperwahrnehmung
Gerade der letzte Punkt ist ein ganz großes Thema. Jeden Tag bekommen wir alle ein ziemlich unrealistisches Bild von Männer- und Frauenkörpern um die Ohren gehauen. Egal, wo du hinschaust – Social Media, Filme, Werbung...sämtliche Körper scheinen irgendwie auf ein "Einheitschön" bearbeitet zu sein. Kaum eine:r zeigt sich online unretouchiert. Makellose Haut, Brüste und Waschbrettbäuche wo du nur hinschaust. Jeder Mann scheint super muskulös und Frauen sind vermeintlich perfekt proportioniert.
Der Kontrast zwischen realer Welt und der Pseudo-Welt der Medien könnte fast nicht heftiger sein. Klar, du weißt das, ich weiß das, und dennoch wirkt diese zweite Realität auf uns ein. Es schleichen sich gewisse Vorstellungen in unser Gehirn. Wir werden kritischer mit unserem Körper, unsere Ansprüche an uns selbst, aber auch an andere, werden immer höher. Diese Entwicklung ist absolut nicht förderlich für ein entspanntes Miteinander. Wer unzufrieden mit seinem Körper ist, kann sich darin auch nicht wohl- und sicher fühlen.
Genau das ist aber eine Voraussetzung, um sämtliche sexuelle Aktivitäten genießen zu können. Denn wenn du beispielsweise ständig darüber nachdenkst, dass da eine veritable Speckrolle auf deiner Hüfte residiert oder dass dein Po zu klein und unscheinbar ist, dann wird es dir wahrscheinlich schwerfallen, Berührungen zu genießen. Gerade an solchen gefühlten Problembereichen. Der Spaß beim Sex besteht aber auch darin, den Körper des/der anderen spielerisch zu erkundigen. Bist du allerdings zu sehr mit deinen vermeintlichen Makeln beschäftigt, wird es dir eher schwerfallen, dieses Erkunden zuzulassen und dich fallenzulassen. Wird diese Hemmung zu groß, vergeht natürlich auch irgendwann die Lust.
Druck von Außen
Damit sind wir beim nächsten Punkt, der die Libido killt: nennen wir es einfach mal gesellschaftlicher Druck. Gemeint sind:
- Leistungsdruck: im Studium, in der Beziehung, beim Sex
- Rollenbilder oder Erwartungen
- Überlastung im Alltag
Wenn wir immer nur am Hetzen sind und irgendwelche hochgesteckten Ziele erreichen wollen oder müssen, entsteht schnell das Gefühl auch im Bett etwas leisten zu müssen bzw. eine gute Performance hinzulegen. Schlussendlich verliert man dabei das Wesentliche aus den Augen: seine:n Partner:in. Niemand hat permanent Spaß am Leistungsdruck – auch nicht zwischen den Laken. Außerdem verdirbst du so auch deine:m Partner:in den Spaß an der Lust. Wunderbare Überleitung zum nächsten Problemfeld: Die Beziehung an und für sich.
Beziehungsstress als Ursache für Unlust
Vielleicht unterschätzt auch du, wie schnell die Chemie in einer Beziehung kippen kann. Klar, am Anfang ist bei den meisten noch alles rosig. Aber mit der Zeit, lernen wir unser: Partner:in besser kennen. Konflikte können entstehen, die wir eventuell nicht wirklich gut auflösen können. Irgendwie ist es kompliziert. Die Kommunikation läuft auch nicht überragend und schon entsteht Frust oder im schlimmsten Fall sogar Stress.
Derartige Anspannungen können auf Dauer nicht nur die Liebe auf die Probe stellen, sondern auch die körperliche Anziehungskraft deutlich schmälern. Klar, bist du eigentlich auf jemanden sauer oder fühlst dich als Mensch nicht richtig wertgeschätzt, willst du auch nicht intim mit dieser Person werden. Beziehungsbedingte Ursachen können also zusammengefasst sein:
- Kommunikationsprobleme
- Konflikte oder ungelöste Spannungen
- Mangel an emotionaler Nähe
- Langjährige Routine ohne sexuelle Abwechslung
- Nachlassendes Interesse am Partner:in
Was kann man gegen sexuelle Unlust tun?
Zunächst einmal in dich gehen. Überprüfe, welche der vorher genannten möglichen Ursachen eventuell auf dich zutreffen könnten. Versuch dabei nicht wertend zu sein. Einfach nur mal hin spüren und gucken. Beziehungsprobleme oder generell herausfordernde Situationen verdrängen die meisten von uns recht gerne. Dummerweise arbeiten die Dinge trotzdem in uns weiter und belasten uns, auch wenn wir sie nicht wahrhaben wollen. Das gilt ganz besonders bei psychischen Problemen bzw. Erkrankungen.
Vieles kannst du selbst klären, indem du beispielsweise mit deine:m Partner:in über Schwierigkeiten sprichst oder versuchst dir bessere Coping-Strategien für den Stress in deinem Alltag anzueignen. Manchmal reicht es schon, dass du ein Problem überhaupt wahrnimmst und annimmst, um es aufzulösen. Zum Beispiel die Erkenntnis, dass du Sex mit Leistung verbindest und nicht mit Genuss und Freude. Oder auch die Einsicht, dass du wenig Selbstfürsorge an den Tag legst und mehr Entspannungspausen brauchst. An all dem kann man arbeiten. Du musst es aber merken und angehen.
Wenn Körper und Psyche nicht wollen
Es gibt leider auch Ursachen, die du dir nicht selbst herleiten kannst (Hormongeschichten bzw. andere medizinische Gründe) oder die zu tief liegen, um sie selbst anzugehen (Depressionen, gestörte Selbstwahrnehmung etc.). Da hilft dann nur eins: ab zu:r Ärzt:in.
Als erste Anlaufstelle bietet sich dein:e Hausärzt:in an. Hier kann man über Blutabnahme und medizinischer Untersuchung herausfinden, ob es einen physischen Grund für deine Unlust gibt. Wenn du nicht gleich Erfolg hast, bleib trotzdem dran. Sprich mit auch mit anderen Ärzten, beispielsweise eine:r Gynäkologe:in oder eine:r Urolog:in. Es gibt absolut keinen Grund zur Schüchternheit – immerhin jede:r dritte Deutsche kommt einmal in seinem/ihren Leben in die gleiche Situation.
Manchmal helfen dann verschreibungspflichtige Hormonpräparate, eine Veränderung deiner bestehenden Medikation oder Ähnliches. Hier bist du also definitiv auf Hilfe von Außen angewiesen.
Spielen eher mentale Blockaden eine Rolle, kannst du versuchen, diese selbst mit Sport, Meditation oder Gesprächen mit guten Freund:innen anzugehen. Manchmal reicht das aber leider nicht. Dann brauchst du eventuell eine:n Therapeut:in. Entweder gleich aus dem Bereich der Sexualtherapie oder eine reguläre Psychotherapie. Hier kannst du tiefer liegende Ursachen für deinen Libidoverlust aufdecken und bearbeiten. Auch eine Paartherapie kann zielführend sein, wenn beide offen dafür sind.
Welche Mittel helfen gegen sexuelle Unlust?
Ein Allheilmittel, um die Lust wieder anzuregen, gibt es leider nicht. Selbst Viagra ist nur bedingt hilfreich, denn es führt zwar zu einer stabilen Erektion, nicht unbedingt aber zu mehr Lust.
Aber: Wenn du die Ursachen erkannt hast, lässt sich damit arbeiten. So kannst du zum Beispiel in deiner Partnerschaft neue Impulse setzen. Ihr könntet versuchen, euch auf eine neue Art kennenzulernen, vielleicht mit Rollenspielen oder Ähnlichem. Die Basis ist auf jeden Fall eine offene und absolut ehrliche Kommunikation. Sag, was dir gefällt und was nicht und sprich aus, was in dir vorgeht.
Eine weitere Option sind natürliche Mittel, also Pflanzen und Nahrungsergänzungsmittel. Meistens ist die Wirkung nicht unbedingt wissenschaftlich nachgewiesen, sondern beruht eher auf Erfahrungswerten. Einen Versuch ist es jedoch allemal wert.
Versuchen kannst du beispielsweise:
- Maca (Pflanzenextrakt)
- Ginseng
- L-Arginin (fördert die Durchblutung)
- Gingko biloba (teils positive Effekte bei sexuellen Nebenwirkungen von Antidepressiva)
- Zink und Vitamin D
Einen Schritt härter sind verschreibungspflichtige Medikamente. Dazu gehören unter anderem Bremelanotid oder auch Testosteron-Gel oder -Pflaster. Das geht allerdings nur unter ärztlicher Aufsicht.
(Barmer/CHHI)