Geschlechtsumwandlung: was, warum und wie?
Jede:r von uns hat sich sicher schon mal komisch gefühlt mit dem eigenen Körper, mindestens in der Pubertät. Was aber, wenn diese Emotionen richtig stark und auf die geschlechtlichen Merkmale bezogen sind, wenn sie nicht mehr weggehen, weil man sich einfach nicht mit dem eigenen biologischen Sex identifizieren kann?
Dann kann es sein, dass man ‚im falschen Körper‘ lebt, mit dem falschen Geschlecht. Und das kann man mittlerweile ändern lassen. Wie das funktioniert, darüber geben wir hier einen Überblick:
- Definition: Was ist eine Geschlechtsumwandlung?
- Gründe: Warum Geschlecht ändern?
- Vorgehen: Wie funktioniert eine Geschlechtsumwandlung?
- Wie viel kostet eine Geschlechtsumwandlung?
- Wie mit Geschlechtsumwandlung umgehen?
Definition: Was ist eine Geschlechtsumwandlung?
Bei einer Geschlechtsumwandlung kann das biologische Geschlecht operativ geändert, bzw. angepasst werden. Dadurch soll der Leidensdruck gemildert werden, den Transgenderpersonen haben.
Bei einer Geschlechtsumwandlung spielen aber nicht nur die körperlichen Faktoren, die durch mehrere Operationen verbessert werden können, sondern auch die psychischen Faktoren eine große Rolle. Deswegen findet vor, während und oft auch nach dem Prozess der Umwandlung eine psychologische Beratung und Begleitung statt.
Transgender bedeutet, dass die eigenen körperlichen Geschlechtsmerkmale nicht mit der individuellen Geschlechtsidentität zusammenpassen. Sex und Gender der Person sind also unterschiedlich.
Unterschied zwischen Sex und Gender:
Während Sex das biologische, angeborene Geschlecht, also auch die hormonelle Zusammensetzung sowie die Geschlechtorgane meint, bezieht sich Gender auf das gesellschaftlich, soziale und damit das gelebte Geschlecht, mit dem man sich identifiziert.
Gründe: Warum Geschlecht ändern?
Die genauen Hintergründe sind natürlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich und können sehr komplex sein. Viele Transgender-Personen leiden an einer extremen Disharmonie zwischen dem Geschlecht, mit dem sie geboren wurden, und der eigenen geschlechtlichen Identität - auch Geschlechtsdysphorie genannt. Das kann zu starken psychischen und auch körperlichen Belastungen führen.
Weitere Gründe für eine Geschlechtsangleichung sind der Wunsch danach
- ein selbstbestimmtes Leben zu führen: sich selbst sein Geschlecht, unabhängig von den biologischen Faktoren, bewusst zu sein und frei ausleben zu dürfen.
- mit sich selbst endlich im Reinen zu sein: sich endlich auch mit dem körperlichen Geschlecht identifizieren zu können, innen und außen der Mensch zu werden, der man schon immer war – endlich wieder Harmonie in das eigene Selbst- und Körperbild zu bringen.
- sozial und gesellschaftlich akzeptiert und integriert zu leben: auch von außen im privaten, beruflichen oder anderem Kontext als das Geschlecht gesehen zu werden, dass man innerlich schon immer war.
- das persönliche Leiden zu mildern: nicht mehr innerlich zerrissen sein, physisch und psychisch runterfahren und ein Leben führen zu können, in dem die eigene Identität mit dem Körper und allem, was noch dran hängt, übereinstimmt.
Der Zeitfaktor: Die meisten Transgender-Menschen fühlen schon lange oder schon immer, dass ihr angeborenes Geschlecht nicht mit ihrer Identität zusammenpasst.
Vorgehen: Wie funktioniert eine Geschlechtsumwandlung?
Eine Geschlechtsumwandlung ist weder einfach noch geht sie schnell. Oft handelt sich dabei um einen mehrjährigen Prozess, in dem Betroffene verschiedene Phasen durchlaufen müssen, um ihr Geschlecht ändern zu können. Dabei gibt es ein paar Dinge, um die sich alle Transgender-Menschen, unabhängig von ihrem künftigen Geschlecht, kümmern müssen und Dinge, die sich je nach Geschlecht unterscheiden.
Allgemeine Steps
- Psychologische oder psychotherapeutische Unterstützung: der erste Schritt ist immer das Aufsuchen eines Arztes des Vertrauens, der an ein:e Kolleg:in im Bereich psychische Gesundheit überweist oder gleich eine:r Psycholog:in. Dort finden dann über einen bestimmten Zeitraum Gespräch statt, Gutachten werden erstellt, um herauszufiltern, wie hoch der Leidensdruck ist, was Abhilfe schaffen könnte und ob eine Geschlechtsumwandlung eine reale Option sein könnte. Auch während der anderen Schritte sollte weiterhin psychologische Unterstützung in Anspruch genommen werden.
- Behandlung mit Hormonen: sind sich die Fachleute und die betroffene Person darüber einig, den Prozess der Geschlechtsanpassung angehen zu wollen, werden Hormone verschrieben. So kann der Körper bestimmte äußere und innere Merkmale, also die sekundären Geschlechtsmerkmale, etablieren. Dabei handelt es sich bspw. um den Haar- und Bartwuchs, die Stimmlage und Ähnliches.
- Operative Maßnahmen: um eine Geschlechtsumwandlung auch äußerlich-körperlich zu komplementieren, können auch die primären Geschlechtsmerkmale, also Geschlechtsorgane operativ angepasst werden. Auch schönheitschirurgische Eingriffe, bspw. um das Gesicht femininer zu gestalten, können durchgeführt werden.
- Änderungen des Geschlechtseintrags: für die rechtlich gültige Änderung des Geschlechts – und damit einhergehend auch oft des Namens – muss dann noch der Geschlechtseintrag beim Standesamt angepasst werden.
Wie lange dauert die Hormontherapie bei einer Geschlechtsumwandlung?
Zwar schlägt die Therapie schon in wenigen Wochen bis Monaten an und Veränderungen sind deutlich wahrnehmbar – diese würden aber bei Einnahmestopp auch schnell wieder verpuffen.
Das heißt: Transgender-Menschen müssen bestimmte Hormone oft ihr Leben lang nehmen.
Ohne Frage sind Geschlechtsumwandlungen taff – nicht nur für die körperliche, sondern auch für die psychische Verfassung. Needless to say sollte man sich wirklich sicher sein und sich vorab über alle potenziellen Risiken und Co. aufklären lassen – damit man danach wirklich weniger und nicht noch mehr Leidensdruck spürt!
Von Mann zu Frau
Um die primären Geschlechtsorgane von männlich auf weiblich zu ändern, wird in den meisten Fällen die Penisschafthaut zu einem Vaginalkanal ummodelliert, Invaginationsmethode genannt. Aus der Eichel wird dann die sog. Neoklitoris geformt. Die Hoden werden entfernt.
In weiteren OPs können auch die Brüste durch Implantate vergrößert oder Eingriffe im Gesicht durchgenommen werden, um dieses femininer zu gestalten. Die Anzahl, Ausrichtung und der Grad der operativen Eingriffe kann je nach Individuum sehr unterschiedlich ausfallen.
Bei der Hormontherapie vom Mann zur Frau werden männliche Hormone unterdrückt, gleichzeitig aber Östrogen aufgenommen.
Von Frau zu Mann
Für die Umwandlung von einer Vagina zu einem Penis gibt es zwei bewährte Methoden, bei denen man sich dann für eine entscheidet:
- Phalloplastik: hier wird Gewebe aus der Unterarm-, Oberarm- oder Rückenmuskulatur entnommen und damit ein Penis modelliert, der mithilfe einer Erektionspumpe eingesetzt werden kann.
- Klitorispenoid-Bildung: hierbei wird die Klitoris zusammen mit der Harnröhre zu einem 1 bis 4 cm langem Penis gestreckt. Dieser ist zwar verhältnismäßig kurz, versteift sich aber bei Erregung.
Zudem können Gebärmutter und Eierstöcke entnommen, eine Eichel nachgebildet oder ein Hodensack aufgebaut werden. Für die meisten Transmänner ist die Mastektomie einer der wichtigsten Schritte: dabei wird die Brust verkleinert oder komplett entfernt.
Bei der Hormontherapie von der Frau zum Mann werden hier gleichzeitig die weiblichen Hormone unterdrückt und Testosteron aufgenommen.
Von Frau/Mann zu non-binär
Wer sich gar keinem Geschlecht zugehörig, also non-binär - weder männlich noch weiblich – fühlt und deswegen nach außen hin auch kein Geschlecht aufzeigen möchte, kann sich – ausgehend von dem eigenen biologischen Geschlecht - keine, eine oder mehrere Operationen in Kombination aussuchen, bspw. eine Mastektomie, die Entfernung der Eierstöcke, Gesichts-chirurgische Anpassungen und/oder die Modellierung eines Penisses.
Auch hier hängen Grad und Anzahl der Eingriffe vom persönlichen Befinden und der eigenen Identität ab – und sind damit, wie jede Geschlechtsumwandlung, sehr individuell.
Bei der Hormontherapie hin zu einem non-binären Aussehen und Leben kann von Hormonblockern Gebrauch gemacht werden. Aber auch andere Varianten sind möglich ...
Vorsicht: Geschlechtsumwandlungen sind irreversibel. Ist das biologische Geschlecht umoperiert, kann es nicht mehr in den Urzustand zurückversetzt werden. Sind Hoden und Gebärmutter entfernt, macht das unfruchtbar.
Das spricht nicht per se gegen eine operative Anpassung, soll aber auf alle Risiken aufmerksam machen – da immer mehr Ex-Transgendermenschen vor der Geschlechtsumwandlung warnen.
Good to know
Weder eine psychologische Betreuung noch die Einnahme von Hormonen – nicht mal die operative Geschlechtsanpassung – sind zwingend gesetzlich notwendig, um das Geschlecht ändern zu lassen. Einzig und alleine die von eine:r Psycholog:in/Psychiater:in ausgestellte Diagnose ist für die Geschlechtsänderung vorgeschrieben.
Wie viel kostet eine Geschlechtsumwandlung?
Je nach Art und Aufwand sind Geschlechtsumwandlungen unterschiedlich teuer. Nicht selten bewegen sie sich aber im vier – bis fünfstelligen Bereich. Grundlegend können die gesamten Kosten von den Krankenkassen übernommen werden, dafür sind aber psychologische und medizinische Voraussetzungen zu erfüllen, wie das Vorlegen von zwei unabhängigen psychologischen Gutachten – Stichwort: Diagnose Transsexualität.
Ausnahme: Geschlechts-umwandelnde Maßnahmen zu non-binär
In Deutschland werden derzeit nur die Geschlechtsanpassungen von Frau zu Mann und umgekehrt von den Krankenkassen getragen. Personen, die ihre Geschlechtsidentität hormonell oder operativ zu non-binär ändern lassen wollen, bekommen die Kosten nicht von der Krankenkasse erstattet – sie müssen selbst dafür aufkommen.
Wie mit Geschlechtsumwandlung umgehen?
Geschlechtsänderungen oder -anpassungen können ein zeitaufwendiger, nervenaufreibender und komplexer Prozess sein, der Betroffenen so einiges abverlangt. Um dir als Transgender-Mensch oder als Bekannte:r/Freund:in/Partner:in/Familienangehörige:r einer Transgender-Person bei dem Prozess ein bisschen unter die Arme zu greifen, haben wir abschließend noch ein paar Tipps, um mit der Situation möglichst offen, verständnisvoll und entspannt umzugehen:
Als Betroffene:r
- Geh möglichst offen mit dem Thema um: kommuniziere deine Situation, versuch Verständnis dafür zu schaffen, hol dir Support, klär Leute auf – denn viele Schwierigkeiten entstehen aus Unwissenheit und Unverständnis. Du sitzt quasi an der Quelle und kannst für dich und zukünftige Transgender-Personen einen leichteren Weg ebnen. Es ist nicht deine Aufgabe die Welt aufzuklären – du kannst aber dein persönliches Umfeld mit an Bord holen und sie dich unterstützen und für dich da sein lassen.
- Lass dir und anderen Zeit: eine Transition ist nicht nur körperlich, sondern auch psychisch anstregend – in verhältnismäßig kurzer Zeit ändert sich nämlich sehr viel oder eben nicht genug. Versuch dich also ein bisschen in Geduld zu üben dich mit den Veränderungen und neuen Herausforderungen zu akklimatisieren.
- Gib Außenstehenden eine Chance: gib auch den Leuten um dich rum die Chance sich auf die Wandlung einzustellen und sie zu verarbeiten. Auf Dinge und Situationen, die Menschen nicht verstehen, reagieren sie manchmal komisch bis abweisend – es sind aber bei weitem nicht alle Personen dadraußen transphob nur weil sie sich kurz vor den Kopf gestoßen fühlen. Gib ihnen und dir bitte die Chance auf Verständigung und Verständnis.
- Steh zu dir und ganz ehrlich: feier dich! Selbstbestimmt zu leben und das in dem Körper und mit dem Geschlecht, dem man sich zugehörig fühlt, ist nichts, wofür man sich schämen sollte. Alleine die Tatsache, dass du dich all den Herausforderungen stellst, die eine Geschlechtsumwandlung mit sich bringt, zeigt wie mutig und stark du bist. Du kannst stolz auf dich und deinen Weg sein.
Als Außenstehende:r
- Zeig Interesse und informier dich: wenn du noch keine Berührungspunkte mit dem Thema hattest, dann lass dich einfach aufklären oder informier dich. Es ist nicht mal zwingend notwendig, dass du wirklich alles bis ins Detail kapierst – aber es ist wichtig, dass du Interesse zeigst, zuhörst, im Mindesten den Versuch startest, Dinge zu verstehen. Denn dabei geht es um gegenseitigen Respekt und Akzeptanz.
- Versuche einfühlsam und verständnisvoll zu sein: psychologische Gespräche, Hormone, geschlechtsangleichende Ops und das vermutlich über mehrere Jahre oder immer – das kann wirklich reinhauen; genau deswegen solltest auch in schwierigeren Zeit für die Transgender-Person da sein, emotionalen Support anbieten, zuhören, mal in den Arm nehmen. Dann weiß sie, dass sie in dem Prozess nicht alleine ist.
- Lass dir Zeit: auch für dich ändert sich etwas, wen einer der Menschen, die du schon länger kennst/liebst eine Geschlechtsumwandlung durchführt. Achte auch auf dich, deine Bedürfnisse und Gefühle und nimm dir die Zeit dich an die Situation und alle Änderungen zu gewöhnen.
- Biete deinen Support an: eine gemeinsame Aktivität nach einem schwierigen Termin, ein Besuch im Krankenkaus, zusammen für das neue körperliche Erscheinungsbild shoppen gehen – als Freund:in und Co. gibt es viele Möglichkeiten zu unterstützen und einfach da zu sein. Solltest du absolut keine Ahnung haben, was du der Person Gutes tun kannst, dann frag einfach nach ;-)
(Helios/BSG/International Sexology/European Transgender Center/Nonbinary/Emma/SALI)