Statement

Gender- und Pronomen-Änderung als Trend?

Gemeinsames Symbol für transgender, männlich und weiblich – vor grauem Hintergrund.
Die Geschlechtsbezeichung, also das Pronomen, und der Vorname können in Deutschland wegen des Selbstbestimmungsgesetzes geändert werden. (Foto: ©stock.adobe.com/adragan)
Einfach mal den Geschlechtseintrag ändern, ist das so einfach? Manche sagen „ja“ und sprechen von einer „gefährlichen Trendbewegung“. Was ist dran?
Donnerstag, 10.07.2025, 09:00 Uhr, Autor: Sandra Lippet

Weiblich, männlich, divers – wer sich mit dem eigenen Geschlecht nicht identifiziert, kann es angleichen lassen. Das geht manchen ‚zu einfach‘ und sie warnen vor den Gefahren dieser von ihnen so bezeichneten ‚Trenderscheinung‘ - vor allem für Jugendliche und junge Menschen.

Was stimmt, ist, dass es durch das Selbstbestimmungsgesetz tatsächlich leichter geworden ist, den Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern zu lassen. Und auch, dass die Anzahl der Anpassungen von Jahr zu Jahr steigt, stimmt – nur, ob das gleich ‚gefährlich‘ ist? Ich habe mir das Ganze mal für euch angesehen: 

Background: Selbstbestimmungsgesetz 

Seit dem 1. November 2024 ist das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag in Kraft. Dadurch wird es trans-, intergeschlechtlichen und nonbinären Personen vereinfacht, ihr Geschlecht und ihren Vornamen im Personenregister ändern zu lassen. 

Was bedeutet das? Menschen, die sich mit ihrem Pronomen und dem biologischen Geschlecht männlich/weiblich nicht identifizieren, können es beim Standesamt in die Geschlechtsidentität abändern lassen, in der sie sich wiederfinden. Neben männlich und weiblich kann der Geschlechtseintrag auch zu divers gewechselt oder komplett gestrichen werden.

Wie funktioniert das? Drei Monate vor der eigentlichen Eintragsänderung muss der Antrag beim zuständigen Standesamt angemeldet werden, das die Geschlechtsanpassung dann bearbeitet. Durch den Prozess werden Personalausweis und Reisepass ungültig, die mit dem neuen Namen und Geschlechtseintrag neu angefordert werden müssen. Für die Änderung ist die Vorlage eines ärztlichen Attests nicht mehr notwendig.

Kann das Geschlecht wieder zurück oder erneut geändert werden? Ja, dabei muss aber eine Sperrfrist von einem Jahr eingehalten werden.

Zahlen und Fakten 

Fakt ist: die Anzahl an Geschlechtsumwandlungen und Genderänderungen ist in den letzten Jahren gewachsen – und man kann für die kommenden Jahre generell davon ausgehen, dass sie weiter wachsen wird. Das lässt sich jedenfalls aus den zugrundeliegenden Statistiken ablesen: 

Immer mehr Mensch im Alter zwischen 15 und 30 lassen ihr Geschlecht ändern.(Quelle: © Statista/Statistisches Bundesamt)
Die Anzahl der angleichenden OPs hat sich seit 2013 ungefähr verdreifacht. (Quelle: © Statista/Statistisches Bundesamt)

Zwischen 2013 und 2023 haben sich die geschlechtsangleichenden Operationen verdreifacht – von insgesamt ca. 1000 auf ca. 3000 pro Jahr – natürlich hat sich aber die Bevölkerungszahl nicht verdreifacht. Das heißt: auch prozentual wächst die Zahl an Menschen, die ihr Geschlecht ändern lassen. 

Spannend dabei ist, dass vor allem jüngere Leute, v.a. zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, es sind, die ihr Geschlecht ändern lassen. Und dass im Laufe der Jahre mehr Menschen aus genau dieser Altersgruppe sich Transitionen unterziehen. Die älteren Altersgruppen bleiben in ihrer Zahl über die Jahre ziemlich konstant, die einzige andere Gruppe, deren Anzahl an Geschlechtsumwandlung leicht wächst, sind die unter 20

Immer mehr Mensch im Alter zwischen 15 und 30 lassen ihr Geschlecht ändern.(Quelle: © Statista/Statistisches Bundesamt)
Immer mehr Mensch im Alter zwischen 15 und 30 lassen ihr Geschlecht ändern. (Quelle: © Statista/Statistisches Bundesamt)

Wie sieht es bei den Änderungen des Geschlechtseintrags aus? Da sind es noch mehr. Man kann nämlich sein/ihr Pronomen und den Vornamen auch ohne eine operative Geschlechtsumwandlung anpassen lassen. Sie sind keine Voraussetzung bei der Änderung des Geschlechtseintrags.

Auch hier werden die Verfahren zur Anpassung der Pronomen jährlich mehr. 2017 sind es 2085 Verfahren, 2020 schon 2687 – und 2024 haben mindestens 4300 Menschen ihr Geschlecht beim Standesamt abändern lassen. Auch hier verzeichnet sich deutlich: Tendenz steigend

Was bedeutet das?

Erstmal bedeutet das nur, dass immer sich mehr Menschen, besonders vor ihrem 30. Lebensjahr, dafür einsetzen ein selbstbestimmtes Leben zu leben und ihr biologisches Geschlecht, beim Standesamt und/oder medizinisch, auf das Geschlecht abändern lassen, mit dem sie sich identifizieren. 

Das betrifft größtenteils volljährige Personen, denn für Transitionen vor dem 18. Lebensjahr gelten strengere Regularien. Außerdem gibt die Altersgruppe der 15- bis 20-Jährigen die kleinste Zahl der Geschlechtsanpassungen wieder, siehe Statistik oben. 

Die Angst mancher, dass v.a. und vornehmliche Jugendliche aus zweifelhaften Gründen einfach so ihr Geschlecht ändern würden, lässt sich aus den hier vorliegenden Daten und Fakten jetzt nicht bestätigen

Geschlechtsänderung als Trenderscheinung?

Um die Frage zu beantworten, ob Geschlechtseintrags- und Geschlechtsänderungen an sich gerade eine Trendbewegung wiedergeben, ist es wichtig zu wissen, was der Begriff überhaupt heißt:

Trend-Bedeutung:
(über einen gewissen Zeitraum bereits zu beobachtende, statistisch erfassbare) Entwicklung[stendenz]

Duden, Definition Trend

So wird im deutschen Duden das Wort Trend definiert, als Beispiele werden genannt:

  • "der neue, vorherrschende, modische Trend
  • der Trend geht hin zu Vereinfachungen, geht in eine andere Richtung
  • der Trend hält an, setzt sich fort
  • (umgangssprachlich) damit liegt er voll im Trend (entspricht er ganz dem Zeitgeschmack)"

Nach dieser Bedeutung, zusammen mit den oben genannten Daten, also den jährlich steigenden Zahlen an Geschlechtsanpassungen, können wir also sagen: Ja, beim Thema Transition ist ein Trend, eine Entwicklungstendenz, zu beobachten.

Wieso ist das so? Klar ist, dass nie so offen über Geschlechteridentitäten gesprochen wurde, als heute – und, dass es noch nie so gesellschaftlich anerkannt war wie jetzt – auch, dass es vermutlich noch nie in der Menschheitsgeschichte so ‚einfach‘ war, das Geschlecht amtlich und auch operativ ändern zu lassen. Damit will ich übrigens nicht sagen, dass es zu einfach ist oder damit keine Herausforderungen verbunden sind, im Gegenteil. Nur ist das Thema endlich im Bewusstsein unsere Zeit angekommen und wird größtenteils akzeptiert. 

Was natürlich zwangsläufig dazu führt, dass Menschen, die sich unwohl mit ihrem Geschlecht fühlen, über ein selbstbestimmtes offenes Leben nachdenken und sich viell. eher einer Transition unterziehen oder ihren Geschlechtseintrag ändern lassen als noch vor 20 Jahren. Das heißt aber nicht, dass es Transmenschen früher nicht gab, sondern dass sie jetzt endlich sichtbarer werden.

Ist das eine schlechte Entwicklung? Wieso sollte sie das sein? Solange wir davon ausgehen, dass mündige Volljährige über ihre eigene Zukunft entscheiden, genau wissen, was sie wollen und sich der Konsequenzen bewusst sind, ist doch alles paletti. Es hat schlichtweg jede Person das Recht auf ein selbstbestimmtes und möglichst glückliches Leben

Ich persönlich kann als Außenstehende auch nichts Schlechtes daran sehen, wenn erwachsene Menschen einfach ihr Ding durchziehen. Es betrifft mich nicht, es schränkt mich nicht ein – sondern hat einfach nur meinen Respekt verdient.

(bundestag/bmfsfj/lsvd/aerzteblatt/queer/Emma/SALI)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Gruppe diverser hipper junger Leute, die mit ihren Smartphones nebeneinander auf einer Mauer sitzen.
Insight

Gender und Diversity in den Medien

Das Leben ist bunt und vielfältig – genauso wie wir Menschen. Wird diese Realität auch so in den Medien gespiegelt? Wir schauen hin.
Junge Frau macht mit geschlossenen Augen eine Achtsamkeits-Übung im Freien.
Stressabbau

Kopf frei – Stresskiller & Resilienz‑Hacks fürs Studium

Du fühlst dich vom Studium komplett überrollt? Hier erfährst du, wie du inmitten von Abgabestress und Leistungsdruck wieder Luft holen kannst – mit einfachen Tipps, die wirklich alltagstauglich sind.
Ausschnitt von Arbeitsplatz mit Handy, Computermaus und Notizzettelblock, auf dem oben 'Motivation' steht.
Support

Strategien zur Selbstmotivation

Vor allem in der Prüfungs- und Hausarbeitsphase kann dir schon mal die Puste ausgehen. Wie du dich trotzdem motivierst, weiterzumachen? Wir haben Tipps.
Junge blonde Frau vor dem Spiegel. Sieht unglücklich und traurig aus.
Health & Selfcare

Selbstoptimierungs-Wahnsinn, zu welchem Preis?

Schöner, besser, glücklicher werden? Für viele ist der Weg dahin klar: sich selbst optimieren. Doch dieser Trend kann schnell negative Folgen haben. 
Gruppenmeditation ins Studio. Alle sitzen im Schneidersitz auf Yogamatten.
Fokussieren

Meditation – dein Weg zu mehr Gelassenheit

Willst du lernen, dich besser konzentrieren zu können oder fehlt es dir an innerer Klarheit? Vielleicht ist dann Meditation etwas für dich. 
Junger, bärtiger Mann liegt am Meer, mit geschlossenen Augen und lauscht seiner Umwelt
Aufgepasst!

Achtsamkeit für den Alltag

Es gibt so Trendbegriffe, denen wir irgendwie andauernd begegnen. Achtsamkeit ist so einer. Was es damit auf sich hat, erzählen wir dir hier. 
Junger Mann mit Backpack und Wanderstock vor Santiago de Compostela.
Auszeit

Selbstfindung bei einer Pilgerreise?

Das Studium hat dich so richtig geschlaucht und du willst mal raus und wieder zu dir zu finden. Vielleicht ist eine lange Wanderung genau das Richtige für dich.
Junge, rothaarige Frau balanciert im Wald auf einem Baumstamm (Foto: © stock.adobe.com/ Irissca)
Summary

Resilienz im Studium

Erfolgreich zu studieren heißt auch, mit Herausforderungen und Rückschlägen gut umgehen zu können. Wir zeigen dir, wie du deine Resilienz stärken kannst. 
Torso eines jungen Mannes, der im Schneidersitz in Mediationspose auf dem Boden sitzt.
Psychische Gesundheit

Von innen stark – Resilienz lernen

Einflüsse von außen kannst du oft nicht ändern, aber deine Einstellung dazu. Dabei kann dir Resilienz helfen – was genau das ist und wie du lernen kannst, dich von innen zu stärken?