Bildungsgerechtigkeit: Ein Ideal, (noch) keine Realität
Bildung ist ein entscheidender Baustein einer zukunftsfähigen Gesellschaft. Sie ermöglicht individuelle Entwicklung und gesellschaftliche Teilhabe und startet dabei idealerweise schon im frühen Kindesalter.
Aber ist Bildung gerecht? Gerade das Hochschulwesen geht in der Debatte über Chancen- und Bildungsgerechtigkeit leider oft unter. Dabei ist es schon krass, dass manche überhaupt bis ins Studium kommen – trotz schwieriger Bedingungen, fehlender Unterstützung und Hürden, die andere nie zu spüren bekommen.
Auch wenn gern behauptet wird, dass in Deutschland jede:r die gleichen Chancen hat, muss ich leider sagen: Ich finde, das stimmt so nicht. Bildungsgerechtigkeit ist (noch) längst nicht Realität.
Gleiche Chancen? – Nicht wirklich
Bildungsgerechtigkeit bedeutet vereinfacht gesagt, dass jede:r die gleichen Möglichkeiten haben sollte, sich zu bilden und erfolgreich zu sein. Und zwar unabhängig von Herkunft, sozialem Status oder Einkommen.
Aber seien wir uns doch mal ehrlich: Wer finanziell gut abgesichert ist (zum Beispiel durch die Eltern), kann sich voll aufs Studium konzentrieren, auch mal unbezahlte Praktika machen, weil er/sie nicht aufs Gehalt angewiesen ist oder ein entspanntes Auslandssemester einplanen, ohne sich Sorge um die Miete zu machen. Andere müssen nebenbei arbeiten, übernehmen familiäre Verantwortung und/oder sind völlig lost im Chaos aus BAföG, Nebenjobs und Studienordnung.
Gleiche Studienbedingungen? – Weit gefehlt! Und das ist ein Problem, zumindest empfinde ich es so.
Wenn der Bildungserfolg vom Geldbeutel abhängt
Studieren kostet: nicht nur Nerven, sondern auch Geld. Klar, die eigentlichen Studiengebühren an staatlichen Hochschulen sind super gering. Aber es kommen Faktoren wie Miete, Lehrmaterialien, Verpflegung, Technik und und und dazu und das haut teilweise richtig rein.
Wer keine Eltern hat, die finanziell unterstützen können oder wollen, muss sich sein Studium dann regelrecht erarbeiten. Das wiederum kostet Zeit. Zeit, die andere für Lernen, ihre Hobbys oder einfach nur Chillen nutzen können.
Die Entscheidung, ob du einen zusätzlichen Job annimmst oder stattdessen lieber noch eine Prüfung mehr dieses Semester machst, kann dann (überspitzt gesagt) plötzlich zur Frage des Überlebens werden. Das ist leider der Alltag für viele. Besonders Studierende aus nicht-akademischen Familien, mit Migrationshintergrund oder mit eigenen Kindern erleben regelmäßig, dass unser Bildungssystem eben doch soziale Hürden kennt.
BAföG, Stipendien & Co: Gute Idee, aber zu kompliziert?
Klar, es gibt Unterstützungsangebote: BAföG, Stipendien, Bildungsfonds und und und. Aber wer sich schonmal durch die Antragsformulare gekämpft hat, weiß: Spaß macht das nicht. Viele sind von der Beantragung unfassbar frustriert oder – noch schlimmer – wissen oder checken erst gar nicht, ob sie überhaupt Anspruch haben.
Und was ist mit denjenigen, die knapp über der Einkommensgrenze liegen? Die durchs Raster fallen, obwohl sie die Hilfe dringend bräuchten? Schon blöd, wenn die Eltern zu viel verdienen, aber es einem vielleicht nicht geben möchten/können bzw. man vielleicht auch einfach mal unabhängig sein möchte.
Und noch ein Problem: Viele Fördermöglichkeiten richten sich eher an die „klassischen“ Überflieger (no front!). Aber was ist mit den Studierenden, die sich durchbeißen, trotz schwieriger Umstände gute Leistungen bringen, aber keine glatten Einserschnitte vorweisen können? Verdienen die etwa keine Förderung?
Ungleiche Bildung wirkt bis in den Job hinein
Die Folgen mangelnder Bildungsgerechtigkeit hören übrigens nicht mit dem Studium auf. Wer sich während dem Bachelor finanziell schon schwertut, wird wohl eher keinen Master mehr machen, sondern direkt ins Berufsleben einsteigen, um eeeendlich vernünftiges Geld verdienen zu können. Während andere, die von (Groß-)Eltern gesponsert werden, vielleicht lieber noch ein paar Semester Studentenleben dran hängen. Muss nicht so sein, ist mit Sicherheit auch nicht immer so, aber ist schon einen Gedanken wert.
Wer während des Studiums wenig Zeit fürs Netzwerken hatte, keine Referenzen aus Top-Praktika oder Auslandserfahrungen mitbringt, startet möglicherweise auch beim Berufseinstieg mit schlechteren Karten.
Das ist nicht nur unfair – das kann meiner Meinung nach auch gesellschaftlich gefährlich werden! Denn wenn wir Potenzial verschenken, weil wir es uns leisten, nicht alle mitzunehmen, dann kann das am Ende allen schaden, auch der Wirtschaft und dem sozialen Zusammenhalt.
Was sich ändern muss und was wir tun können
Bildungsgerechtigkeit muss meiner Meinung nach mehr sein als ein ab und zu auftauchendes Schlagwort in den Medien, wenn es mal wieder eine neue Studie dazu gibt. Ich finde, es braucht echte Reformen und will hier nur mal ein paar Ideen nennen, die mir dabei in den Kopf kommen:
- ein vereinfachtes, unbürokratisches BAföG-System,
- mehr Förderung für nicht-akademische Bildungswege,
- bezahlbarer Wohnraum für Studierende
- und eine Hochschullandschaft, die auch soziale Vielfalt als Stärke begreift.
Aber auch ihr als Studierende oder Berufseinsteiger habt eine Stimme. Ihr könnt in Fachschaften oder Initiativen aktiv werden, euch austauschen, auf Missstände hinweisen und Solidarität zeigen. Und sei mal ehrlich: Du kennst doch vielleicht auch eine Person, die kurz davor war, ihr Studium hinzuschmeißen. Nicht, weil sie es nicht kann, sondern weil die Umstände zu hart waren.
Wir müssen uns fragen:
Wollen wir wirklich ein System, in dem Bildung immer noch ein Stück weit vom Geldbeutel der Eltern abhängt?
Oder wollen wir eine Gesellschaft, in der alle die gleichen Chancen haben – unabhängig von Einkommen, Herkunft und Wohnort?
Und jetzt?
Wenn du bis hierhin gelesen hast, dann beschäftigst du dich wahrscheinlich schon mit diesen Fragen. Und das ist gut. Denn Veränderung beginnt genau da: mit Bewusstsein, mit Gesprächen und mit Menschen, die nicht wegsehen.
Also: Lass uns aktiv sein. Für Bildungsgerechtigkeit. Für faire Chancen. Und für ein Studium, das nicht vom Kontostand abhängt.
(SAHO)